Im recht schön und liebevoll eingerichteten Lokal der Suppenküche in einer ehemaligen Gaststätte namens "Berliner Hof" sitzen die regelmäßig erscheinenden Gäste stets gern noch ein Weilchen, darunter auch Ingrid Essiz, die seit vier Jahren Stammkundin ist. Die alleinsehende Rentnerin kommt oft her, sagt sie. "Daheim bin ich so allein." In der Suppenküche sind Leute, mit denen man reden kann und das Essen ist gut, lobt die 67-Jährige. Sie habe nur zwei Wünsche: Gesundheit und dass sie sich mit ihrer Schwester wieder vertragen würde.
Berliner Hof klingt wie Ständige Vertretung, nur ist diese Essensversorgung kein prominenter Ort, an dem sich Politiker gern sehen ließen. "Nur wenn sie in den lokalen Medien punkten wollen,
kommen sie", weiß Konstanze Schumann, die Chefin der Arbeitsloseninitiative Sachsen, die auch noch eine Tafel betreibt, also Essen zum Mitnehmen und Kleidung, Spielsachen, gute Worte.
Immer mehr brauchen Unterstützung, immer weniger wird verschenkt
Der Flachbau der Tafel wirkt von außen unscheinbar und weit ab vom Schuss in der Schlachthofstraße, man fährt auch vorbei am riesigen brach liegenden Gelände des "Alten Schlachthofes" und
gelangt gleich neben der Abfallentsorgung der Stadt an diesen Ort der Hoffnung, dort wo mehrmals die Woche sich Leute Essen abholen und andere gut zu gebrauchende Sachen. Im Innern wuseln
ebenfalls nicht gerade auf Rosen gebettet Menschen. Sie nehmen die Ware an, sie sortieren sie, portionieren sie.
Gemüse, Obst, Mehl, Konserven. Die Tafel hat ihr festes Domizil mit Regalen und Kühlschränken und kann über Kundschaft nicht klagen. Es würden immer mehr, aber man bekäme immer weniger Ware
rein, sagt Schumann leise. Seitdem die Discounter ihre Lebensmittel noch mal und noch mal auspreisen, würden die Margen zum Verschenken weniger. Zum Glück gäbe es ja noch Bäcker und Hotels und
private Spender.
Konstanze Schumann empfindet es als Ironie ihresgleichen, dass die Macht und Einfluss innehabenden Politiker zwei Dinge gleichzeitig tun, findet Konstanze Schumann von der
Arbeitsloseninitiative Sachsen: "Zum einen wird nichts getan, dass eine Suppenküche wie unsere unnötig wird und zum anderen wird nicht hinreichend dafür was getan, dass diese Einrichtung, wenn
sie nun mal nötig ist, auch überleben kann."
Konstanze Schumann schimpft: "Man stelle sich mal vor, da kommt kürzlich ein Politiker, ein Landtagsabgeordneter vorbei und gratuliert uns zu unserer wichtigen ehrenamtlichen Tätigkeit. Dabei
gehört er aber genau zu den Leuten, die erst dafür gesorgt haben, dass es uns geben muss und zu denen die Kürzungen in Größenordnungen durchsetzen." Es sei eine Schande, dass immer wieder um den
Erhalt einer in diesen Zeiten wichtigen Einrichtung gekämpft müsse, denn Jahr für Jahr würden neu über Zuschüsse und Förderungen entschieden und was künftig werde, das sei noch nicht klar,
beschreibt Schumann die plagende Ungewissheit.
Wegen 500 Euro
vor dem Aus
Es passiert immer wieder, dass die Lobby schwache Tafel mit ihrer Suppenküche kurz davor ist, den Schlüssel herumzudrehen und zu zusperren. Vor einem halben Jahr fehlte der
Zuschuss von 500 Euro in der Kasse. Das Team der Suppenküche freute sich dann nach bangen Tagen des Wartens über eine Geste, die sie eigentlich von den Behörden erwartet hatten. Die 500 Euro
wurden aus privater Tasche beigesteuert.
"Reden wir hier über 5.000 Euro oder über 500?", stellte eine Ärztin die Frage. Ihre eigene Antwort lautet: So ein kleiner Betrag müsse einfach bereit stehen. Die Medizinerin erfuhr durch die
Presse, dass ein bestimmter Geldbetrag an Förderung für die Suppenküche fehle und vom mittlerweile zuständigen Kreis auf Beschluss des Sozialausschusses nicht getragen werden wolle. "Das passiert
nach der Devise, die Stadt Plauen ist stark genug und es gehen eh nur Plauener in unsere Gaststätte für Bedürftige", schlussfolgert Konstanze Schumann.
An die 60 Portionen Mittagstisch werden täglich gekocht. Mehr als 40 Bedürftige kommen vorbei - berichtet Annerose Söll, die das Suppenküchenteam leitet. In der Suppenküche und in der Tafel
herrschte in den vergangenen Wochen eine angespannte Stimmung, berichtet die Vereinsvorsitzende Schumann. Immerhin werden mit den Geldzuwendungen aus Land und Stadt die Kosten mit getragen. Die
500 Euro bedeuteten schlicht, man könne die laufenden Stromrechnungen bezahlen. Dass dieses Geld immer mal wieder zurückgehalten werde, macht die Leute wütend, sagte Söll.
Kochen frohen Mutes
So war es für sie und ihre Mitkämpfer selbstverständlich, im Herbst nach Dresden vor den Sächsischen Landtag zu fahren und gegen den Sozialabbau der schwarz-gelben Staatsregierung zu
protestieren. Nun herrscht etwas Ruhe, der laufende Betrieb verheißt Stabilität. Die Köchin Christina Laurant und ihre Kolleginnen kochen frohen Mutes. Oft deftig, kräftig, stets gut. Ihre
Service-Mitarbeiterin Stefanie Hering bringt die Teller zu ihren Gästen. Im Gastraum herrscht eine aufgeräumte freundliche Atmosphäre. Ein Mann schlürft nach dem Mittagstisch einen Kaffee. Eine
Frau packt eine Zeitung auf den Tisch.
Nach der "Schicht" blicken die Köchinnen auch mal raus zu den Besuchern. "Mir gefällt die Aufgabe, ich habe zu tun, werde gebraucht und bin geachtet", erzählt die 56-jährige Laurant. Viele Jahre habe sie bis zu der Schließung des Hauses in einem Kaufhausrestaurant gekocht. Später hatte sie noch ein paar Anstellungen in verschiedenen Lokalen, über die sie keine guten Erinnerungen äußern könne, zu sehr erinnerte sie die Arbeitsbedingungen an "moderne Sklaverei".
"Ich würde gern in einer Küche wie hier arbeiten und das zu guten Bedingungen und nicht so ausgeschmiert wie ich das schon öfters erlebt habe", sagte Christina Laurant, die derweil mit zwei
Helfern "ihre" Küche reinigte und schon für das Kochen im neuen Jahr vorbereitete. Und wenn das schon nicht geht, also die Teilhabe an der normalen Welt, dann solle wenigstens diese hier erhalten
bleiben.
Frank Blenz arbeitet als freier Autor, Journalist und Fotograf, schreibend für Lokalzeitungen und Wochenblätter; ist Texter, Musiker, Veranstalter (Podiumsdiskussionen, Konzerte) beheimatet in Plauen und Region Vogtland.