Inland

Stell dir vor, es ist Wahl und keiner geht hin

von Eric Gutglück · 15. September 2014
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Demokratie lebt von Wahlen, Wahlen leben von der Beteiligung der Bürger. Dieser Grundsatz scheint in Zeiten der sinkenden Wählerquoten bei (Landtags)-Wahlen bedeutsamer denn je. 

Was absurd klingt, ist leider real: In Zeiten der täglichen Berichterstattung über Staaten, in denen keine freien Wahlen stattfinden und Menschen unterdrückt werden, scheint dem deutschen Bürger sein Grundrecht auf freie Wahlen zunehmend unbedeutend. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Wahlfreiheit historisch betrachtet in Deutschland eine zarte Pflanze ist. Vor mehr als 80 Jahren wurde die junge Demokratie in Deutschland ausgehebelt und durch die NS-Diktatur ersetzt. Bis vor 25 Jahren waren auch in der DDR die Wahlrechte stark eingeschränkt bis nicht existent. Die passive Einstellung zur Politik ist daher besonders in den neuen Bundesländern verwunderlich. Als in der DDR die friedliche Revolution eingeleitet wurde, gingen die Bürger vor allem für freie Wahlen auf die Straße. Ein erkämpftes Gut, das heute mit Füßen getreten wird.

Bei den Landtagswahlen 2014 in Sachsen, Brandenburg und Thüringen ging kaum jeder Zweite wählen. Auch die anderen ostdeutschen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt übertrafen 2011 nur knapp die 50-Prozent-Marke. Bei der Bundestagswahl 2013 lag die Wahlbeteiligung in diesen Ländern knapp 10 Prozentpunkte höher. Doch selbst eine Zwei-Drittel-Wahlbeteiligung darf für eine Demokratie kein zufriedenstellendes Ergebnis sein.

Politik vor der Haustür

Es stellt sich die Frage, warum gerade bei Landtagswahlen die Wahlbeteiligung so gering ausfällt. Schließlich schlägt die Stimme des Einzelnen durch die geringere Summe an Gesamtstimmen stärker ins Gewicht als bei Bundestagswahlen. Zudem können die Bürger bei Landtagswahlen die Politik „vor der eigenen Haustür“ entscheidend mitgestalten. Doch in den Köpfen der Menschen scheint eine „kleine“ Landtagswahl nicht den Stellenwert einer Bundeswahl zu genießen, das lassen zumindest die aktuellen Quoten vermuten. Häufig zählen Menschen Gründe auf, weshalb sie am Wahlsonntag keine Zeit fänden – in Zeiten von Briefwahlen ein schwaches Argument.

Als ein in Ostdeutschland Geborener und Lebender komme ich immer wieder mit Menschen ins Gespräch, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen. Aus Verbitterung über „die da oben“ blieben sie den Wahlen fern: Sie könnten ja doch nichts ändern. Es ist für mich aber unverständlich, dass diese Menschen aus Unzufriedenheit mit der aktuellen Lage nicht wählen gehen. Gerade das Wahlrecht räumt dem Bürger die Möglichkeit ein, über die politische Landschaft mit zu entscheiden. Und nur wer wählt, der darf sich hinterher auch beschweren.

Bundesweites Phänomen

Regionale Strukturschwäche und ein geringeres Lohnniveau als in Westdeutschland stellen gerade die Politik im Osten vor die Herausforderung, Wähler zu begeistern und zu mobilisieren. Dennoch ist es falsch, geringe Wahlbeteiligungen als exklusives ostdeutsches Problem zu sehen. Bundesländer wie Bremen, Hamburg und Niedersachsen haben eine unbedeutend höhere Wahlbeteiligung als der Osten der Republik.

Die Einstellung „Was kann ich schon ändern?“ vieler Bürger wird in Zukunft dafür sorgen, dass der sinkende Beteiligungstrend anhält. Dies spielt vor allem radikalen und populistischen Parteien wie NPD und AfD in die Karten. Darüber müssten sich alle klar sein, die am Wahlsonntag zu faul sind, ihr Kreuzchen zu machen.

Die etablierten Parteien sind gefordert, Politik ansprechend und bürgernah zu gestalten. So muss der negative Trend der Wahlbeteiligung umgekehrt und die Demokratie gefestigt werden. Der alte Slogan „Wer nicht wählt, der wählt die Falschen!“ scheint in der momentanen Situation nichts an seiner Aktualität eingebüßt zu haben. Deswegen sind auch wir Bürger gefragt, von unseren demokratischen Rechten in jedem Fall Gebrauch zu machen.

Weiterer Kommentar zur Wahlbeteiligung: Stärkste Kraft - der Nichtwähler

Autor*in
Eric Gutglück

studiert Politikwissenschaft und Öffentliches Recht an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Er war Praktikant beim vorwärts.

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