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Kurzer Aufschub für Griechenland

Griechenland muss am heutigen Montag in Brüssel seine neuen Sparvorschläge vorlegen. Gerettet ist das Land noch nicht, spätestens im Juni steht die nächste Verhandlungsrunde an. Und die Debatte über einen Schuldenschnitt wird auch sehr schnell wieder aktuell.
von Peter Riesbeck · 23. Februar 2015
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Yanis Varoufakis redete schon ziemlich lange. Mal auf Griechisch, mal auf Englisch. Aber so sehr sich Griechenlands Finanzminister am vorigen Freitag auch mühte, im Pressesaal des Brüsseler Ratsgebäudes mochte kaum jemand seine Einschätzung teilen, dass der Antrag auf Verlängerung des Hilfsprogramms für sein Land vorteilhaft sei. Zugegeben, Varoufakis hatte Zugeständnisse erzielt. Die Troika aus EU-Kommission, Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank nennt sich nun „die Institutionen“. Auch kann Athens neue Links-Regierung die Sparprojekte künftig selbst bestimmen – allerdings unter Einhaltung der vorgegebenen Etat-Zahlen. Ansonsten aber haben Finanzminister Wolfgang Schäuble und die Euro-Staaten Athen in die Verlängerung gezwungen – weitgehend im Rahmen des bestehenden Programms und der bisherigen Bedingungen.

Sparpaket gestreckt

Um vier Monate wird das bestehende Hilfspaket gestreckt, mit sehr einseitigen Vorgaben. Griechenland muss am Montag seine Reformliste einreichen, die Rede ist von Kampf gegen Korruption und mehr Steuergerechtigkeit. Zusätzlich fünf Milliarden Euro will das Land so einnehmen. Das klingt besser als Sparpolitik. Noch am Montag beugen sich Beamte von EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) über die von Athen eingereichten Sparvorschläge. Am Dienstag wollen die Finanzminister der Euro-Staaten in einer Telefonrunde dem Paket zustimmen, der Bundestag muss am Freitag über das Paket entscheiden.

Gerettet ist Griechenland mit den neuen Hilfen noch nicht. Im April muss ein Team der „Institutionen“ die Umsetzung der Sparliste prüfen, erst dann können die 7,2 Milliarden Euro an neuen Krediten ausgezahlt werden. Und schon im Sommer geht die Debatte weiter:  Die vereinbarte Verlängerung läuft Ende Juni aus, dann stehen neue, harte Verhandlungen an.

Tsipras ohne Verbündete

Es gibt drei Gründe für das griechische Scheitern im ersten Anlauf und ein Argument für einen notwendigen Schuldenschnitt. Erstens: Griechenlands neuer Premier Alexis Tsipras war nach seinem Wahlsieg auf der Suche nach Verbündeten erst in Zypern, dann in Frankreich und Italien, um eine Allianz gegen Angela Merkels Sparpolitik zu schmieden. Am Ende aber stand Griechenland im Schuldenstreit ohne Unterstützer da: Eurogruppe – Griechenland 18:1, lautete das Ergebnis. Zu manch einem entscheidenden Gespräch wurde der griechische Finanzminister Varoufakis am Freitag gar nicht mehr hinzugebeten. Das hatte auch mit Varoufakis’ Auftreten zu tun. Nach Beratungen in Rom erklärte er, Italiens Schuldenlage sei prekärer als die Griechenlands. Und schon war die Unterstützung des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi dahin. Auch aus dem Süden kam Widerstand aus den Krisenländern Portugal und Spanien. Dessen Wirtschaftsminister Luis de Guindos musste erst mühsam von dem Deal überzeugt werden. Griechenland war in einer einsamen Insellage und die Frontlage nicht mehr Nord gegen Süd. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble konnte für seinen harten Kurs auf breite Unterstützung zählen. Das machte es schwer für Griechenland. Denn ohne Verbündete läuft kaum etwas in Europa.

Brüssel kennen und nutzen

Zweitens: Europas Entscheidungswege sind kompliziert, das Institutionengeflecht in Brüssel verwirrend. Man muss den richtigen Verhandlungspartner finden. „Regieren ist immer auch ein Rendez-vous mit der Wirklichkeit“, hatte Finanzminister Schäuble erklärt. Was klingt wie eine hämische Einschätzung, war eher ein Spruch aus dem Lehrbuch des Politikbetriebs. Regieren ist etwas anderes als Radikalopposition. Das zeigte auch die doppelte Verhandlungsführung in Brüssel: Der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fürchtete um ein Scheitern der Gespräche und schaltete sich ungefragt in die Kompromissfindung ein. Aus ehrlicher Sorge um den Euro und um Europa. So bastelte Junckers Team an einem Kompromisspapier mit Athen. Aber die EU-Kommission hat in der Eurogruppe wenig zu sagen. Flugs kassierte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem am vergangenen Montag das Papier in der zweiten Verhandlungsrunde der Finanzminister der Eurostaaten ein. Sehr zur Verwunderung Athens. Auch die brüske Reaktion von Finanzminister Schäuble zum griechischen Hilfsantrag drei Tage später war nicht allein dem Ärger über den Brief aus Athen geschuldet, er richtete sich auch gegen die positiven Signale aus der EU-Kommission. Dahinter stand die Furcht vor einem Aufweichen des Eurorettungskurses und der Wunsch, den neuen Kommissionschef Juncker in die Schranken zu weisen.

„Grexit“ ist keine Bedrohung mehr für die Eurozone

Der „Grexit“, eine neue griechische Währung nach einem Euro-Ausstieg, ist kein Schreckgespenst: Der griechische Premier Tsipras und sein Finanzminister Varoufakis kalkulierten stark mit der Angst vor einem griechischen Euro-Austritt. Der aber hat im übrigen Europa längst ihren Schrecken verloren. Die Finanzmärkte beobachteten den Wirbel um Griechenland eher ruhig. Die Ansteckungsgefahren für Länder wie Italien, Spanien und Portugal sind eher gering. So konnten Tsipras und Varoufakis kein Drohszenario aufbauen. Ein „Grexit“ wäre, zumindest kurzfristig, für Griechenland bedrohlicher als für die Euro-Zone.

Der Schuldenschnitt wird kommen

Den Griechen spielt wenig, kurzfristig noch nicht einmal die Zeit, in die Hände. Selbst für die nächste Verhandlungsrunde im Juni, stehen die Verhandlungszeichen ungünstig. Griechenland muss im Juli 3,5 Milliarden Euro bedienen. Das bietet den Eurostaaten bei den Gesprächen im Sommer einiges an Druckpotenzial. Aber langfristig muss Europa angesichts der bedrohlichen Schuldenlast Griechenlands einräumen, dass es um einen Schuldenschnitt für Athen kaum umhin kommt. Sonst muss es das Land auf unbestimmte Zeit alimentieren.
 

Autor*in
Peter Riesbeck

ist Europa-Korrespondent. Bereits seit 2012 berichtet er aus Brüssel für die „Berliner Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“.

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