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Diakonie: Humanitäre Katastrophen erfordern schnelleres Eingreifen

Die „Diakonie Katastrophenhilfe“ hat ihren Jahresbericht für 2016 vorgelegt. Dieser berichtet von zurückgegangener Spendenbereitschaft, von politischer Ignoranz und von andauernden wie drohenden Katastrophen.
von Laura Tirier · 17. August 2017
Millionen Menschen in Ostafrika droht eine Hungersnot.
Millionen Menschen in Ostafrika droht eine Hungersnot.

Der weltweite Bedarf an Geldern für humanitäre Hilfen wächst. Die Spendenbereitschaft der Bevölkerung hingegen nimmt ab. Im Vergleich zu 2015 sind die Spendeneinnahmen der „Diakonie Katastrophenhilfe“ – des humanitären Hilfswerks der evangelischen Kirche in Deutschland – um ein Drittel zurückgegangen.

Fehlende Aufmerksamkeit führt zu weniger Spenden

Die Präsidentin der „Diakonie Katastrophenhilfe“ Cornelia Füllkrug-Weitzel schreibt diesen Rückgang vor allem der fehlenden medialen Aufmerksamkeit für länger andauernde Krisen zu. 2016 war gezeichnet von beständigen Krisen, wie zum Beispiel in Syrien, im Irak oder dem Südsudan. Die Bürger der Geberländer verlören nach und nach das Interesse und so rückten diese Katastrophen immer weiter aus dem Fokus der Öffentlichkeit, auch wenn sie mit all ihrem Schrecken andauern würden.

Das höchste Spendenaufkommen (4,8 Millionen Euro) verzeichnete die Diakonie für die Opfer des Hurrikan in Haiti. Dieser kostete 546 Menschen das Leben. Diese Katastrophe kam unerwartet, die Schreckensbilder waren neu. Da die Diakonie seit dem Erdbeben 2010 schon in Haiti ansässig war, konnte direkt nach dem Hurrikan humanitäre Unterstützung geleistet werden.

Syrien: Dammbrüche des humanitären Völkerrechts

Die Situation in Syrien betrachtet die Präsidentin der „Diakonie Katastrophenhilfe“ mit Sorge. Der Krieg führe zu immer unüberschaubarer werdenden Krisen und die Hilfsorganisation könne nicht zu allen bedürftigen Menschen vordringen, wenn in weiten Teilen des Landes noch immer Kriegshandlungen stattfänden. Dort, wo der Wille zur Konfliktlösung fehle, seien sie handlungsunfähig, so Füllkrug-Weitzel. Mit Verweis auf die erschütternden Bilder aus der Stadt Aleppo kurz vor Weihnachten spricht sie von „regelrechten ‚Dammbrüchen’ des humanitären Völkerrechts“.

Zu späte Hilfen in Ostafrika

Das Problem, dass die Katastrophenhilfe zur Zeit am meisten beschäftigt, ist die Hungersnot in Ostafrika – auch wenn diese hierzulande kaum mediale oder politische Aufmerksamkeit bekommt. Schon vor zwei Jahren gaben die Vereinten Nationen zusammen mit verschiedenen Hilfsorganisationen Warnmeldungen an die Geberländer heraus. Durch die anhaltende Dürre steuerte die Region auf eine humanitäre Katastrophe zu. Zu diesem Zeitpunkt hätten durch ein beherztes Eingreifen der Staaten noch Vorsorgesysteme greifen können. Passiert sei jedoch zu wenig. Dass so etwas im Jahre 2017 noch geschieht ist „schlicht nicht hinnehmbar“, so Cornelia Füllkrug-Weitzel. „Hunger ist keine Naturkatastrophe. Ein Erdbeben kann nicht verhindert werden, der Hungertod unzähliger Menschen sehr wohl.“ Dass sich Vertreter der Geberländer nun regelmäßig zu Konferenzen zusammenfinden, um Geld für die Nothilfe zuzusagen, sei nur ein schwacher Trost und lange nicht so effektiv oder rentabel, wie es frühzeitiges Eingreifen gewesen wäre.

Die vergessenen Flüchtlinge

Füllkrug-Weitzel betont, dass sich Bevölkerung wie Politik bewusst machen muss, dass jede der zuvor beschriebenen Katastrophen Menschen in die Flucht treibt. 2016 seien 65,6 Millionen Menschen auf der Flucht gewesen, so viele wie nie zuvor. Neun von zehn Flüchtlingen fliehen jedoch nicht nach Europa, sondern bleiben in den Ländern ihrer Region – in den meisten Fällen leiden auch diese unter Armut. Nichtsdestotrotz werde in der öffentlichen Debatte „hysterisch“ über eine europäische Flüchtlingskrise lamentiert. Die tatsächlichen Katastrophen würden dabei außer Acht gelassen. Dies dürfe jedoch nicht geschehen. Von den großen Fluchtbewegungen nehme Europa kaum Notiz. Schlimmer noch: „Die EU lässt es auch 2017 zu, das Tausende auf ihrer Flucht im Mittelmeer ertrinken. Und wenn die Menschen nicht Europa als Ziel haben, wie es bei den Hungerflüchtlingen in Ostafrika der Fall ist, schaffen sie es nicht mal auf die politische Agenda.“

Autor*in
Laura Tirier

war 2017 Praktikantin in der Redaktion des vorwärts. Sie studiert Geschichte und Politikwissenschaft an der Westfälischen Wilhelms Universität in Münster.

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