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Trotz Jamaika-Chaos: SPD muss an ihrer Erneuerung festhalten

Vor dem Abbruch der Jamaika-Sondierungen war die eigene Erneuerung das bestimmende Thema in der SPD. Trotz Druck von außen, sich an einer neuen großen Koalition zu beteiligen, darf sich die Partei von dem Vorhaben nicht abbringen lassen.
von Robert Kiesel · 21. November 2017
SPD debattiert über neuen Kurs
SPD debattiert über neuen Kurs

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Immerhin, ein Gutes hat die durch und durch vertrackte Situation in Sachen Regierungsbildung: Nach dem Abbruch der Jamaika-Sondierungen ist die SPD wieder in aller Munde. Keine Zeitung, keine Nachrichtensendung im Fernsehen und erst recht keine Kommentarspalte kommt dieser Tage ohne eine Erinnerung der Sozialdemokraten an ihre „staatspolitische Verantwortung“ aus. Das erklärte Ziel insbesondere von Vertretern der Union: Die Genossen doch noch davon zu überzeugen, ihre am Wahlabend aus guten Gründen formulierte Absage an eine Fortsetzung der großen Koaltion zu überdenken.

Sehnsucht nach Erneuerung

Bei allem Tauziehen um die SPD und unbenommen aller richtigen und wichtigen Debatten innerhalb von Fraktion und Partei darf eines nicht ins Hintertreffen geraten: Die Selbstverpflichtung der Partei, die dringend notwendige Erneuerung der SPD nicht nur anzukündigen, sondern auch anzupacken. Wie zum Beleg dessen hatte SPD-Chef Martin Schulz in einer Mail an die Mitglieder vom Dienstag versichert: „Unabhängig davon, wie es nun in Berlin mit der schwierigen Regierungsbildung weitergeht, verspreche ich, dass wir den dringend notwendigen Erneuerungsprozess weiterführen werden.“

Klar ist: Die Partei wird ihren Vorsitzenden beim Wort nehmen. Dass die Sehnsucht nach Erneuerung groß ist, hatten unter anderem die acht eilig nach der Wahl anberaumten Dialogkonferenzen eindrucksvoll bewiesen. Insgesamt 6.000 SPD-Mitglieder hatten sich zu den einzelnen Veranstaltungen aufgemacht und lange Anfahrten in Kauf genommen. Im Gepäck hatten sie Forderungen und Initiativen, die zeigen: Die SPD lebt und kann sich auf ihre Mitglieder verlassen, so man sie denn ernst nimmt.

Ohne Erneuerung droht die nächste Schlappe

Es ist an Martin Schulz und dem Führungszirkel der Partei, diesen Drang zur Erneuerung aufzunehmen, ehe den engagierten Mitgliedern die Puste ausgeht. Der beste Weg dahin: Der unmittelbar nach der Wahl angekündigten und spontan mit Applaus bedachten Erneuerung der Partei Taten folgen lassen. Dass die bereits vorgenommenen Änderungen im Personaltableau von Partei und Fraktion diesem Anspruch nur bedingt gerecht werden, hat sich mittlerweile über die Linken in der Partei hinaus herumgesprochen. Nicht nur dem von Noch-Juso-Chefin Johanna Uekermann formulierten Ziel, die SPD weiblicher und jünger zu machen, ist die Partei bislang kaum näher gekommen.

Klar ist: Die Erneuerung der SPD ist nicht trotz, sondern gerade wegen der Unsicherheit hinsichtlich einer neuen Regierungsbildung im Bund unerlässlich. Kommt es tatsächlich zu Neuwahlen, die die SPD laut Aussagen verschiedener Spitzenvertreter nicht scheuen müsse, dürfte die Partei in ihrem derzeitigen Zustand wohl kaum auf nennenswerte Zuwächse hoffen.

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Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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