Meinung

Zukunftsmissionen: So wird die SPD die Partei der neuen Industrialisierung

Die SPD ist die Partei der Industrialisierung. Heute stehen wir wieder mitten in einer industriellen Revolution. Mit den Prägungen aus ihrer Geschichte, kann die SPD auch die Zukunft gestalten.
von Gustav Horn · 1. März 2021
Industrialisierung damals (1910) und heute: Die SPD hat die Konzepte, die neue Industrielle Revolution zu gestalten.
Industrialisierung damals (1910) und heute: Die SPD hat die Konzepte, die neue Industrielle Revolution zu gestalten.

Die SPD ist die Partei der Industrialisierung. Ihre Wurzeln hat sie im 19. Jahrhundert als  gewaltige technologische und soziale Verwerfungen das Leben der Menschen drastisch veränderten. Die Sozialdemokratie ist ein Kind der Industrialisierung. Denn sie war sowohl Anwalt eines technologischen Fortschritts, der das Leben leichter und schöner macht, als auch – als Teil  der Arbeiterbewegung – der  sozialen Teilhabe aller an dessen Früchten, die es notfalls im Konflikt durchzusetzen galt. Es begann das sozialdemokratische  Zeitalter.

Die Digitalisierung verändert das Arbeitsleben fundamental

Heute stehen wir wieder mitten in einer industriellen Revolution. Sie ist anders als ihre Vorgängerin und wirft doch ähnliche Probleme auf. Die Digitalisierung ermöglicht neue Produktionsweisen und Produkte, vernichtet alte und schafft neue Arbeitsplätze, mit anderen Worten verändert das Arbeitsleben fundamental. Zugleich erfordert die Klimakrise den Umstieg auf nachhaltige Produktion und Konsumtion. Beides zusammen markiert das Ende der alten Industrie und weist zugleich den Weg in eine Ära neuer industrieller Produktion.

Diese Ära wird durch eine größere Vielfalt, eine größere Flexibilität, kleinere Einheiten und eine geringere Ortsgebundenheit gekennzeichnet sein. Gleichwohl wird es weitgehend eine industrielle Produktion sein, da sie auf standardisierten Verfahren mit Größenvorteilen beruhen wird. Auf diesem Weg, so anders er in seinem Verlauf sein mag, stellen sich ähnliche Fragen wie vor knapp 200 Jahren.

Wie können wir mit den neuen digitalen und ökologisch nachhaltigen Technologien das Leben für alle und nicht nur wenige verbessern? Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich für unseren Wohlstand, unseren Alltag, unsere Mobilität, unseren beruflichen Werdegang und unsere Gesundheit? Wie können wir uns in diesem Wandel gegen mächtige Digitalkonzerne durchsetzen? Wie können wir verhindern, dass ein Prekariat durch schlechte Arbeitsbedingungen im Digitalisierungsprozess und beim Aufbau nachhaltiger Produktion entsteht? Wie können wir eine gerechte Verteilung der Erträge und der Kosten des digitalen und ökologischen Wandels durchsetzen? Wie können wir erreichen, dass wir für das Bereitstellen unserer Datenverläufe, einem wichtigen digitalen Rohstoff, in Zukunft gerecht bezahlt werden? Wie können wir erreichen, dass ökologischer Wandel und soziale Sicherheit Hand in Hand gehen?

Die Kommunen brauchen mehr Geld, Personal und Gestaltungsfreiheit

Das sind die Fragen, denen sich eine auf die Zukunft gerichtete Wirtschaftspolitik stellen muss. Olaf Scholz hat dies mit seinem Papier zu Zukunftsmissionen gemacht. Es ist der Versuch, den nicht geringen Herausforderungen mit den Grundwerten der SPD, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität gerecht zu werden.

Das in diesem Papier skizzierte Vorgehen erfordert Investitionen, Innovationen und spürbar stärkere und flexiblere staatliche Institutionen. Gerade letzteres wird häufig übersehen. Wollen wir die steigenden Anforderungen an staatliches Handeln (Der andere Staat) erfüllen können, ist es unumgänglich, den Gebietskörperschaften, vor allem den Kommunen, mehr Ressourcen an Geld, Personal und Gestaltungsfreiheit zu geben.

Die SPD kann von ihrem Erbe profitieren

In dieser Verlagerung kommt zum Ausdruck, dass in einer Zukunft, die den Wertvorstellungen der SPD entspricht, Gemeinwohlgüter ein merklich höheres Gewicht haben als noch zuvor. Das vergangene Jahrzehnt hat – auch manchem Sozialdemokraten – gezeigt, dass privater Gewinn und einzelwirtschaftliches Handeln als wirtschaftliche Orientierung schlicht nicht ausreichen, um eine zukunftsfeste Wirtschaft für alle zu gestalten.

Von daher kann die SPD gerade heute von ihrem Erbe an Erkenntnissen aus dem 19. Jahrhundert profitieren. Auch damals änderte sich die Welt der Wirtschaft grundlegend. Auch damals setzten Sozialdemokrat*innen und Gewerkschaften hemmungslosem privaten Gewinnstreben, gemeinschaftliche Güter wie eine Sozialversicherung und später dem Genossenschaftsgedanken z.B. beim Wohnungsbau entgegen. Mit diesen Prägungen aus ihrer Geschichte, kann die SPD auch die Zukunft gestalten. Die SPD will die Partei der neuen Industrialisierung sein.

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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