Wo es keine freie Presse gibt, stirbt die Demokratie
Thomas Koehler/photothek.net
Pressefreiheit – das klingt abstrakt und wird von vielen als Sonderrecht für Journalistinnen und Journalisten wahrgenommen. Tatsächlich aber betrifft dieses Grundrecht, an das weltweit jedes Jahr am 3. Mai erinnert wird, uns alle: Wo es keine freie Presse gibt, stirbt die Demokratie.
Die These mag verwegen klingen, zumal noch aus der Feder des Vorsitzenden der größten Journalistengewerkschaft DJV. Manche Trolle in der Netzgemeinde meinen ohnehin, dass es kein Sonderrecht der Pressefreiheit geben müsste, weil die Meinungsfreiheit schon alles hinreichend abdeckt. Das aber ist ein gefährlicher Irrglaube. Massenmedien prägen noch immer den öffentlichen Diskurs. Sie bestimmen, welche politischen Fragestellungen diskutiert, welche Probleme gelöst werden müssen. Was keine öffentliche Aufmerksamkeit erreicht, wird von der Politik auch nicht behandelt.
Journalismus ist der Stachel im Fleisch der Mächtigen
Umso wichtiger ist es, denen ein Forum zu bieten, die sich nicht durch teure PR-Kampagnen und Lobbyismus an Bevölkerung und Entscheidungsträger wenden können. Journalismus ist der Stachel im Fleisch der Mächtigen: Konstruktiv, aber kritisch werden Debatten begleitet, mit professionell recherchierten und aufbereiteten Informationen, Einordnungen und Kommentierungen.
Dass (Massen-)Medien das überhaupt „dürfen“, ist im Verfassungsgrundsatz der Pressefreiheit geregelt. Es reicht aber nicht, wenn eine solche Vorschrift nur auf dem Papier steht. Es gibt genug Kräfte, die diese Freiheit gern beschränken oder gar abschaffen wollen. Ein Blick in die Türkei, nach Ungarn und Polen oder nach Österreich zeigt, wie schnell unabhängiger Journalismus unter Beschuss geraten kann.
Alles weit weg, könnte man jetzt sagen – aber das ist ein gefährlicher Trugschluss. Auch Deutschland schneidet im weltweiten Ranking von „Reporter ohne Grenzen“ zur Pressefreiheit nur bedingt positiv ab. Es sind vor allem die verbalen und zuweilen auch handfest gewalttätigen Übergriffe auf Reporterinnen und Reporter, die die Pressefreiheit hierzulande beschneiden. Gerade bei Demonstrationen aus dem politischen Rechtsaußen-Lager geht es darum, Medien die Glaubwürdigkeit abzusprechen, Journalisten einzuschüchtern, ihre Arbeit zu behindern und eine öffentliche Einheits-Meinung für sich selbst exklusiv zu reklamieren. Der Schritt, Medien als „Feinde des Volkes“ zu verunglimpfen, ist da nur noch ein kleiner.
Politiker müssen die Freiheit der Presse aktiv fördern
Aber auch unter Demokraten gerät das sperrige Konstrukt der Pressefreiheit oft aus dem Blickfeld. Dass Whistleblower, die auf Missstände in Unternehmen, Behörden oder Politik hinweisen, geschützt werden müssen, dringt erst langsam ins Bewusstsein von Entscheidungsträgern vor. Dass andererseits auch Journalisten, die diesen Verdachtsmomenten nachgehen und darüber berichten, einen besonderen Schutz brauchen, ist leider auch nicht selbstverständlich. Anders ist es nicht zu erklären, dass der DJV beispielsweise gegen die Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung sogar vor das Bundesverfassungsgericht ziehen musste: Wer umfassende Überwachung will, entzieht der freien Presse die Grundlage. Wie Politiker, Pfarrer oder Anwälte müssen auch Medienvertreter besonders vor Eingriffen in ihren Beruf geschützt werden. Da gibt es noch viel zu tun.
Zwar wird in den sprichwörtlichen Sonntagsreden – auch zum 3. Mai – immer gerne über den Sinn und Zweck der Pressefreiheit reflektiert. Im konkreten Handeln aber werden solche hehren Bekenntnisse nicht immer umgesetzt. So fehlt auf Bundesebene nach wie vor ein Presseauskunftsrecht. Während sich Landesbehörden auf Anfragen von Medienvertretern nicht wegducken können, sind Bundesbehörden gesetzlich noch nicht verbindlich zur Auskunft verpflichtet: Auch an dieser Stelle gibt es also was zu tun.
Pressefreiheit kann nur dann gelingen, wenn unsere gewählten Volksvertreter das abstrakte Grundrechts-Konstrukt mit Leben füllen: Es geht nicht um feuchte Träume radikaler Populisten, die lieber frei von Presse handeln wollen, sondern um aufrichtige Politiker, die die Freiheit der Presse aktiv fördern!
ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Er arbeitet selbst als freier Journalist für WDR und ARD sowie verschiedene Print- und Onlinemedien. An der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (Köln/Berlin) lehrt er Journalismus und Politik.