Meinung

Wirtschaftsprogramm der CDU: Auf Treibsand gebaut

In dieser Woche hat die CDU ein Acht-Punkte-Programm für ihre künftige Wirtschaftspolitik vorgestellt. Ein näherer Blick darauf zeigt: Es ist nicht durchdacht und voller Widersprüche.
von Gustav Horn · 17. September 2021
Den Boden unter den Füßen verloren: Das Wirtschaftsprogramm der CDU ist auf Treibsand gebaut.
Den Boden unter den Füßen verloren: Das Wirtschaftsprogramm der CDU ist auf Treibsand gebaut.

Woran erkennt man gute Wirtschaftspolitik? Antwort: am offenen Umgang mit Zielkonflikten. Es gibt kaum ein Vorhaben, das nicht in Konflikt mit anderen steht und sei es, weil schlicht das Geld knapp ist. Wirtschaftspolitik erfordert also Entscheidungen, und gute Wirtschaftspolitik begründet diese auch mit Blick auf das, was nicht gemacht werden kann oder soll.

Die CDU im Bullerbü der Ökonomie

Die CDU sieht das in ihrem jüngst vorgestellten Acht-Punkte-Programm völlig anders. Sie verspricht in einem Atemzug, Steuersenkungen auf breiter Front und zugleich die Einhaltung der Schuldenbremse sowie der europäischen Fiskalregeln. Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und jedwede andere Steuererhöhung lehnt sie dagegen strikt ab. Das alles soll zu soliden Staatsfinanzen und einem nachhaltigen Wachstum führen. Die CDU erschafft sich ein Bullerbü der Ökonomie.

So sieht sie keinen Konflikt zwischen Steuersenkungen und Budgetdefiziten. Sie geht schlicht davon aus, dass sich Steuersenkungen über erhöhtes Wachstum und dann wieder erhöhte Steuereinnahmen selbst finanzieren. Dumm nur, dass die meisten seriösen ökonomischen Untersuchungen etwas anderes sagen und noch dümmer, dass dieses Experiment zuletzt in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den USA unter Ronald Reagan grandios gescheitert ist. Das Bullerbü der Union ist auf Treibsand gebaut.

Der Staat muss massiv investieren

Die Gefahr des CDU-Programms liegt zum geringsten darin, dass die Vorstellungen der Partei, sollte sie überhaupt noch an die Regierung kommen, krachend an der Realität scheitern werden.  Wesentlicher ist, was alles zu unterbleiben droht, wenn sie mit diesen irrealen Vorstellungen Wirtschaftspolitik zu betreiben versucht. Die Dringlichkeit einer schleunigst verbesserten Infrastruktur, die sowohl die Digitalisierung voranbringt als auch die Voraussetzungen für klimaneutrale Produktionsweisen schafft, liegt auf der Hand. Das erfordert massive investive Ausgaben des Staates. Und erst mit dieser verbesserten Infrastruktur oder zumindest deren erkennbarem und glaubwürdigem Aufbau, werden auch die privaten Investitionen anspringen.

Das CDU Programm lässt drei Möglichkeiten zu, wie die Partei mit diesen Herausforderungen umzugehen gedenkt. Die erste ist, dass sie diese Investitionen entgegen vieler anderer Äußerungen überhaupt nicht will. Dann könnte sie zwar die Schuldenbremse einhalten und womöglich auch die eine oder andere Steuersenkung vornehmen. Zugleich aber droht sie die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes zu verspielen. Nachhaltiges Wachstum ist so nicht erreichbar.

Täuschung der konservativen Stammwähler*innen?

Die zweite Möglichkeit: Die Union will investieren, hält aber gleichzeitig – anders als in ihrem Programm angekündigt – weder Schuldenbremse noch die europäischen Fiskalregeln ein.  Manche Äußerungen aus dem Kanzleramt und sogar von Armin Laschet deuten in diese Richtung. Das wäre zwar für unsere wirtschaftliche Zukunft besser, brächte aber Friedrich Merz um den Schlaf und würde alle konservativen Stammwähler*innen, für die die Einhaltung der Schuldenbremse zum Markenkern der CDU gehört, schlicht und ergreifend täuschen.

Die dritte Möglichkeit ist, dass die CDU die notwendigen Ausgaben durch Umschichtungen im Haushalt finanziert. Dann könnte sie sowohl die Schuldenbremse einhalten und die Steuern senken als auch die Investitionen durchführen. Die Frage ist nur, welche Ausgaben sie kürzen will. Hierzu schweigt die Union erneut.  Das hat Gründe. Um die erforderlichen Summen zu erreichen, bliebe der Union nichts anderes übrig, als Kürzungen bei den Zuweisungen zur Rentenversicherung zu machen. Damit droht aber das nächste Gebäude im unionseigenen Bullerbü wegzubrechen. Entweder hält sie ihr Versprechen, die Beiträge zur Rentenversicherung stabil zu halten, nicht ein oder sie muss Kürzungen bei den Renten vornehmen, was sie eigentlich auch nicht will.

Wie man es auch dreht und wendet: Das Acht-Punkte-Programm der CDU wird an seinen inneren Widersprüchen scheitern. Gute Wirtschaftspolitik, die realistische Alternativen aufzeigt, geht anders. Aber dazu ist die CDU derzeit nicht in der Lage.

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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