Wirtschaftspolitik in Kriegszeiten: Jetzt ist Solidarität gefragt
IMAGO/Wolfgang Maria Weber
Kriegszeiten sind vor allem Zeiten der Aufrüstung mit hohen Ausgaben für militärische Güter. Die hohen Ausgabenimpulse könnten die Konjunktur mächtig antreiben. Das gilt in erster Linie für die Rüstungsindustrie und deren Zulieferer. Da jedoch nun in vielen Ländern aufgerüstet wird, dürfte der Impuls so stark sein, das er auf viele Bereiche der Wirtschaft ausstrahlt. Zugleich erhöht sich durch den Krieg in der Ukraine der Druck auf Deutschland und andere von russischen Energieimporten abhängige Staaten, möglichst schnell auf Erneuerbare Energien umzusteigen. Schließlich muss die Abhängigkeit von russischem Gas schnellstmöglich verringert und die Zahl der Anbieter breiter gestreut werden. Der Klimawandel setzt sich zudem unvermindert fort. Hinzu kommen die vielen anderen Investitionsvorhaben im Koalitionsvertrag, die Bundeskanzler Olaf Scholz unverändert fortsetzen will.
Kein Wachstum und steigende Arbeitslosigkeit
Diese geballte Investitionsdynamik könnte Beschäftigung und Wachstum in den kommenden Jahren eigentlich sehr dynamisch werden lassen. Eigentlich. Auf dem Weg dorthin stehen jedoch bedrohliche Hindernisse, deren Hemmwirkungen derzeit schon schmerzhaft zu spüren sind. Da sind die explodierenden Energiepreise, aber auch die Engpässe in den globalen Lieferketten. Die Kombination aus hoher Nachfrage und durch Sanktionen sowie den Nachwirkungen der Corona-Pandemie erzeugten Engpässen beim Angebot treibt die Preise durch die Decke.
Das führt zum einen dazu, dass mangels notwendiger Vorprodukte die Kapazitäten der heimischen Wirtschaft trotz der hohen Investitionsbereitschaft nicht ausgelastet werden können. Zum zweiten verschlingt der Preisschub die Kaufkraft der privaten Haushalte, was die Binnenkonjunktur zusätzlich belastet. Am Horizont der Prognostiker erscheint daher eine der schlechtesten ökonomischen Welten: Stagflation, die Kombination aus Stagnation und Inflation. Kein Wachstum und steigende Arbeitslosigkeit
Hohe Zinsen untergraben die Invstitionsbereitschaft
Was tun in dieser schwierigen Lage, die zudem durch die Unsicherheit der Kriegsereignisse in der Ukraine überschattet wird? Die Antwort lautet: Solidarisch sein.
Ein wichtiger erster Schritt ist, Inflation zu vermeiden, die die EZB zwingen könnte, die Zinsen deutlich zu erhöhen. Das würde die unbedingt erforderliche Investitionsbereitschaft der Unternehmen auf Dauer untergraben und öffentliche Investitionen verteuern. Dazu wäre es sinnvoll, dass Tarifparteien und Regierungen in der gesamten Währungsunion sich verständigen, bei der Lohnentwicklung einen Stabilitätspfad einzuhalten, auf dem die Lohnzuwächse den Preisschub nicht weiter verstärken. Das bedeutet im Klartext, dass die Beschäftigten den Kaufkraftverlust durch höhere Energiepreise hinnehmen. Es wäre ein Akt gesamtwirtschaftlicher Solidarität aller Beschäftigten. Dieser könnte von den Regierungen aber honoriert werden, indem sie die Wirkungen des Preisanstiegs für die Verbraucher*innen vor allem jene mit geringeren Einkommen spürbar abschwächen.
Ein solidarischer Beitrag der Wohlverdienenden
Eine Möglichkeit haben Isabella Weber und Sebastian Dullien jüngst vorgeschlagen (Gaspreisdeckel). Sie wollen die Energieversorger verpflichten, allen Haushalten oder zumindest Haushalten mit geringem Einkommen eine bestimmte Menge Energie zu einem niedrigen Preis zur Verfügung zu stellen. Damit wären die Verbraucher*innen in Abhängigkeit von ihrer Sparsamkeit bis zu einem gewissen Grad vor den Preissteigerungen geschützt. Diese gingen auch nicht so stark in die Inflationsrate ein, was es der EZB leichter macht, Zinserhöhungen zu vermeiden. Konsum und Investitionen wären weniger belastet. Die Kosten für die Differenz zum Marktpreis würden die Regierungen übernehmen. Diese können durch höhere Steuern auf Extra-Gewinne bei den Energieversorgern oder eine Finanzmarkttransaktionssteuer auf europäischer Ebene finanziert werden. Dies wäre ein solidarischer Beitrag der Wohlverdienenden.
Die wirtschaftliche Lage ist derzeit schwierig, teilweise bedrückend. Doch mit Solidarität lassen sich gerade in schwierigen Zeiten viele Probleme bewältigen.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.