Wir brauchen einen neuen Umgang mit Cannabis in Deutschland
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Im Februar hat die SPD-Bundestagsfraktion ein Positionspapier beschlossen und fordert einen neuen Umgang mit Cannabis. Die Fraktion will konkret Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe von Cannabis ermöglichen.
Die Diskussion um neue Wege in der Cannabispolitik ist der Sozialdemokratie keinesfalls neu. Eine Abkehr von der bisherigen Verbotspolitik ist Beschluss- und Programmlage in einigen Landesverbänden. Die Jusos erheben die Forderung schon seit Jahren und in den 90er Jahren waren wir eigentlich auch schon mal weiter. Auch die Arbeiterwohlfahrt und die Friedrich-Ebert-Stiftung haben inhaltlich vorgelegt. So hat beispielsweise die FES 2015 festgehalten, dass die derzeitige Verbotspolitik gescheitert ist und mehr schadet als nutzt. Sie plädierte für einen umfassenden und evidenzbasierten neuen Politikansatz.
Cannabis-Besitz muss Ordnungswidrigkeit und nicht Straftat sein
Mir ist es wichtig, dass wir jetzt in der SPD insgesamt zu einer eindeutigen Sicht und Beschlusslage kommen. Es besteht zweifelsfrei Handlungsbedarf. Ich werbe für einen zweistufigen Ansatz.
In der ersten Stufen brauchen wir drei Dinge. Gleiche Kleinstbesitzgrenzen im ganzen Land, bevor die Strafverfolgung beginnt. Zehn Gramm in NRW, 15 Gramm in Berlin, sechs Gramm in Brandenburg – was für ein Kuddelmuddel. Zudem sollte der Kleinmengenbesitz generell aus dem Strafrecht ins Ordnungsrecht überführt werden. Aus einer Straftat würde so eine Ordnungswidrigkeit.
Die vollkommen überkommene und vorsintflutliche Kriminalisierung von vielen Tausend Konsumenten würde so abgeschafft. Drittens sollten dann tatsächlich in den Kommunen Modellprojekte an den Start gehen, um den besten Weg zur kontrollierten und legalen Abgabe von Cannabis zu erproben. Coffeeshops oder gar Apotheken? Probieren wir es aus!
Klare Grenzwerte und Messverfahren für den Straßenverkehr
Viele Kommunen haben schon beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Modellprojekt-Anträge gestellt. Diese wurden jedoch alle abgelehnt. Ein Beispiel ist ein Konzept des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg von 2015. In lizenzierten Geschäften hätte Cannabis an erwachsene Konsumenten legal abgegeben werden können. Sie hätten an Begleitstudien teilnehmen müssen und hätten nur eine begrenzte Menge erhalten. Die abgegebenen Dosen wären gekennzeichnet gewesen, zur zweifelsfreien Identifizierung durch die Polizei.
Wir brauchen klare Grenzwerte und andere Messverfahren für den Straßenverkehr. Das ist auch kein Hexenwerk. Eine Grenzwertekommission schlug bereits 2015 einen Wert von drei Nanogramm THC je Milliliter Blutserum vor. Erst wenn der Wert höher liegt, soll der Führerschein eingezogen werden. Heute ist bereits ab einem Nanogramm der Lappen weg. Ein Wert, der auch nach vielen Tagen Cannabisabstinenz im Blut noch nachweisbar ist. Realistisch und lebensnah ist das nicht.
Wie die flächendeckende Freigabe von Cannabis gelingt
Durch verpflichtende Begleitforschung und wissenschaftliche Evaluation, sammeln wir so Erfahrungen für die zweite Stufe. Die flächendeckende Freigabe von Cannabis. Zertifizierte Produktqualität durch kontrollierten Cannabisanbau. Strenger Jugendschutz und Präventionsangebote. Für diesen neuen Ansatz werbe ich. Nur so kann es funktionieren.
Mir ist auch ein anderer Aspekt wichtig. Die Versorgung mit Cannabis aus medizinischen Gründen. Seit 2017 ist es möglich, unter bestimmten Voraussetzungen Medizinalcannabis zu nutzen. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen die Kosten für eine solche Therapie. Der Gesetzgeber hat beschlossen, dass dann eine solche Therapie möglich ist, wenn eine Standardtherapie nicht zur Verfügung steht bzw. nicht angewendet werden kann. Zudem muss eine Aussicht auf therapeutischen Erfolg bestehen. Die Therapie bedarf jedoch im Einzelfall der Genehmigung durch die Kasse.
Cannabis als Medizin anerkennen
In der praktischen Umsetzung gibt es leider viele Probleme. Deswegen haben wir im Bundestag nachgeschärft und den Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen gelockert. Eine einmal genehmigte Therapie muss nicht mehr neu genehmigt werden, wenn nur die Dosierung oder die Sorte geändert wird. Auch der Wechsel aus einer stationären in eine ambulante Behandlung wird erleichtert.
Dennoch muss da noch mehr geschehen. Damit auch tatsächlich nur in „Ausnahmefällen“, so der Wortlaut des Gesetzes, die Therapien abgelehnt werden. Daran arbeite ich.