Meinung

Wir brauchen einen deutschen Islam: gegen Islamisten und Rassisten

Es wird Zeit, die Bedrohung unserer Gesellschaft vom islamistischen Terror anzuerkennen und zu bekämpfen. Wichtigstes Instrument könnte dafür die Islamkonferenz. Doch dafür muss sie sich radikal verändern.
von Aziz Bozkurt · 10. November 2020
Gegen Rechtsextremismus und Islamismus: Muslimische Frauen auf einer Demonstration in Berlin
Gegen Rechtsextremismus und Islamismus: Muslimische Frauen auf einer Demonstration in Berlin

Er ist wieder zurück. Der islamistische Terror. So zuindesst lautet der Tenor einiger Medien. Man stellt sich die Frage, ob etwas zurück sein kann, das nie weg war. Der Wunsch und die Hoffnung, dass wir auf einer Insel der Glückseeligen leben könnten, wenn rund um unseren Fleck Erde die Welt in Flammen steht, führte wohl zur Verdrängung. Es wird Zeit, die Bedrohung unserer Gesellschaft vom islamistischen Terror anzuerkennen. So wie wir den rechten Terror anerkennen müssen. Anerkennen, um die richtigen Gegenmittel zu finden. Teile des Gegenmittels könnte die Islamkonferenz erarbeiten, die diese Woche erneut stattfindet. Aktuell bleibt es aber beim „könnte“.

Ein System der Hetze, des Chauvinismus und des Extremismus

Vielleicht haben die Täter in Wien und in Frankreich alleine gehandelt. Vielleicht auch nicht. Sie wurden und werden aber von einem System der Hetze, des Chauvinismus, Radikalismus und Extremismus getragen. So, wie der NSU-Terror nicht eine Tat eines abgeschiedenen Trios war. Es gilt, auch das System um vermeintlich einzelne Terroristen in den Blick zu nehmen. Beim islamistischen Terror müssen wir unseren Blick auf einige der politischen islamischen Verbände, die vom Ausland finanziert und gesteuert werden, werfen. Die Verbände, die unsere europäischen Werte ablehnen und unsere Gesellschaft zu spalten versuchen.

In einem Manifest des IS-Online Magazins Dabiq von 2015 wurde die Methode beschrieben, die militante Islamisten für sich nutzen wollen. Simpel und effektiv: Jeder islamistische Terroranschlag in Europa und der westlichen Welt lässt die anti-islamische Stimmung wachsen. Das Ergebnis wäre „die Abschaffung der grauen Zone“ und somit eine Polarisierung, was den Islam betrifft. Die Muslime in Europa werden ausgegrenzt und wären somit leichter in die Arme militanter Islamisten zu treiben und könnten schlimmstenfalls rekrutiert werden.

Muslime vor den Spaltungsversuchen der Islamisten schützen

Muslime sind ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft und bereichern unser Leben tagtäglich. Es ist wichtig, dass wir sie vor den Spaltungsversuchen der Islamisten schützen. Genauso vor dem rechten Terror, denn das Ziel von Islamisten wie Rassisten ist dasselbe: das Zusammenleben stören, eine Entfremdung innerhalb der Gesellschaft anfachen und einen Teil unserer Gesellschaft vom Rest zu trennen. Zwei menschenfeindliche Ideologien, ein Ziel.

Dazu gehört es auch, die Institutionen der organisierten Muslime – die geschätzt nur ein Drittel ausmachen – zu schützen und genau hinzuschauen, wen man als Partner aufwertet. Rechtsextreme Gruppen wie die ATIB (Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa) oder Muslimbrüder unter dem Dach des Zentralrats der Muslime oder die antisemitische Milli Görüs Bewegung dürfen sicher nicht dazugehören. Wir müssen uns der Herausforderung stellen, wie man die Organisationen der Muslime unterstützen kann, sich von den Herkunftsländern zu emanzipieren. Dann werden wir auch die Immunisierung gegenüber extremistischen Tendenzen voranbringen können.

Die Islamkonferenz versagt bisher

Bisher ist von der Politik dazu nichts Konkretes zu hören. Die Forderung, man müsse sich frei machen, von den ausländischen Einflüssen, bleibt abstrakt und ist nur ein Zeigefinger, aber keine helfende Hand. Die Islamkonferenz wäre das richtige Gremium, das einen Weg aufzeigen könnte. Sie versagt, weil der Bundesinnenminister keinen Willen zur konstruktiven Arbeit erkennen lässt und die Organisationen der Muslime in ihrer bequemen Nische gelassen werden.

Es braucht als ersten Schritt eine gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung finanzieller Zuwendungen aus dem Ausland an Religionsgemeinschaften und Vereine. Sowohl Bundesregierung als auch viele Behörden erheben nicht anlasslos  und systematisch eigene Erkenntnisse über Verbindungen und Einflüsse ausländischer Stellen auf religiöse Vereine und Religionsgemeinschaften. Somit wird vom Ausland her ein nicht unerheblicher Einfluss auf diese Organisationen genommen, der kaum kontrollierbar ist. Anschließend braucht es eine Strategie, wie wir die Finanzierung in Deutschland selbst gewährleisten wollen.

Wir brauchen einen deutschen Islam. Es kann nicht sein, dass im Jahr 2020 an der deutschen Islamkonferenz immer noch Vereine teilnehmen, die bewiesenermaßen vom Ausland gesteuert und finanziert werden. Organisationen, die im Namen der rund fünf Millionen Muslime in Deutschland sprechen wollen, obwohl viele Muslime mit ihnen und ihren Ideologien nichts zu tun haben.

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Aziz Bozkurt

ist Bundesvorsitzender der AG Migration und Vielfalt der SPD.

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