Meinung

Wie sozial ist das Soziale Jahr?

Wenn junge Menschen sich für ein Jahr sozial engagieren, ist das eine gute Sache. Dabei muss aber auch darauf geachtet werden, dass die jungen Männer und Frauen ebenfalls von ihrer Arbeit profitieren können.
von Angelina Sortino · 15. August 2018
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Einige CDU-Politiker fordern eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Diesmal für Männer und Frauen. Als Alternative hätte man als junger Erwachsener aber die Möglichkeit ein Jahr einen Sozialdienst zu leisten. 

Ich selbst habe mich nach meinem Abitur freiwillig für ein soziales Jahr entschieden. In dieser Zeit habe ich viel gelernt, es ist aber auch einiges sehr falsch gelaufen.

Soziales Jahr als Orientierungshilfe

Zunächst zu den guten Seiten meines Freiwilligen Sozialen Jahres, das ich in einer Bildungseinrichtung in Süddeutschland absolviert habe. Ich habe viel über mich herausgefunden: Allem voran, was ich will und noch wichtiger, was ich nicht will. Mit Kindern oder immer nur im Büro arbeiten ist zum Beispiel einfach nicht das Richtige für mich. Hatte ich nach meinem Abitur noch mit dem Gedanken gespielt, eine Ausbildung zur Bürokauffrau zu absolvieren oder Geschichte auf Lehramt zu studieren, verwarf ich diese Ideen nach einigen Wochen Arbeitsalltag doch sehr rasch.

Dass ich danach neue Ideen für meine berufliche Zukunft brauchte, war wenig problematisch.  Denn während meines FSJ fuhr ich mehrmals auf interessante Seminare, auf denen ich in verschiedene kreative Bereiche und Berufe hineinschnuppern konnte. Bei einem Journalismus-Workshop entdeckte ich meine Freude am Schreiben. Wenn man in seiner Freizeit auch noch einige Stunden in die Suche nach spannenden Studiengängen investiert, kann man während der Zeit des Freiwilligendienstes entspannt den richtigen Studiengang oder auch den richtigen Ausbildungsberuf für sich finden. Einen Schnuppertag an der Universität in Hohenheim konnte ich mir sogar als Bildungstag anrechnen lassen und bekam dafür frei.

Symbiose zwischen Träger und Dienstleistenden

Doch nicht alle Rahmenbedingungen stellten eine solche Unterstützung für Freiwillige dar. Ein Problem war zum Beispiel die geringe Bezahlung. Hatte ich mir davor durch meinen Wochenendjob in einem Café problemlos ein Auto und Freizeitaktivitäten leisten können, verdiente ich nun trotz 40 Stunden-Woche nur noch 300 Euro im Monat. Für andere Dienstleistende, die nicht bei ihren Eltern leben konnten, bedeutete das echte finanzielle Probleme.

FSJler werden oft als billige Arbeitskräfte missbraucht, obwohl sie häufig viel Verantwortung tragen. Auch kommt es immer wieder vor, dass Vorgesetze sich ihnen gegenüber nicht fair verhalten. Sie vergessen, dass die Freiwilligen auch von der Arbeit profitieren sollten, die sie leisten. Ein Freiwilliges Soziales Jahr ist der Idee nach eine Symbiose von Träger und Dienstleistendem. Es geht darum, dass die Zusammenarbeit für beide Seiten einen Gewinn bringt.

Betreuung ist ein Muss

Dass junge Erwachsene an ihrer Arbeit wachsen und etwas lernen können, muss eine Voraussetzung für jeden sozialen Dienst sein. Egal ob dieser nun freiwillig bleibt oder verpflichtend wird. Denn wenn die Gesellschaft vom Konzept des verpflichtenden Dienstes profitieren soll, dann dürfen wir jungen Erwachsenen nicht ausgeklammert werden. Auch für uns müssen aus dem Dienst Vorteile entstehen. Deshalb denke ich, dass es auf jeden Fall wichtig wäre, auch bei einem verpflichtenden Sozialdienst Seminare und Bildungstage fest in das Programm mitaufzunehmen.

Von einem weiteren wichtigen Angebot des Freiwilligen Sozialen Jahres habe ich nach knapp sechs Monaten Gebrauch gemacht. Ich habe erst mit meinen Betreuern in Stuttgart und danach mit meinem Chef gesprochen. Wir haben gemeinsam entschieden, dass es für mich am besten ist, das FSJ von einem Jahr auf ein halbes Jahr zu verkürzen. Bei diesen Gesprächen ging es die ausschließlich um mein persönliches Wohl und meine Gesundheit. Die faire und freundliche Art aller Beteiligen hat mir sehr geholfen, diesen für mich wichtigen Schritt zu gehen. Ob ein solcher Schritt bei einer Verpflichtung möglich sein wird? Wichtig ist deshalb, dass bei einem Pflichtdienst genug Betreuer eingestellt werden, die in Konfliktsituationen oder schwierigen Lebenslagen zwischen Träger und Dienstleistendem vermitteln können.

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Angelina Sortino

studiert Communication, Culture and Management und ist Praktikantin beim „vorwärts“.

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