Meinung

Wie sich die amerikanische Demokratie selbst zerstört

Der Sturm des Kapitols durch gewalttätige Trump-Anhänger ist der vorläufige Höhepunkt eines langen Prozesses: Seit mehr 50 Jahren radikalisiert sich die republikanische Partei. Sie ist zu einem Sammelbecken für Demokratieverächter und Verfassungsfeinde geworden, an deren Spitze Donald Trump steht.
von Michael Werz · 7. Januar 2021
Gewalttätige Trump-Anhänger haben am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washington gestürmt, den Sitz von Repräsentantenhaus und Senat.
Gewalttätige Trump-Anhänger haben am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washington gestürmt, den Sitz von Repräsentantenhaus und Senat.

Die USA stehen am Ende eines politischen Epochenbruches: Mehr als die Hälfte der republikanischen Fraktion im Abgeordnetenhaus und 12 selbst von Parteifreunden als das „dreckige Dutzend“ bezeichnete Senatoren wollten gegen die Zertifizierung des Ergebnisses der amerikanischen Präsidentschaftswahlen vom November vergangenen Jahres stimmen. Was in normalen Zeiten eine Formalie ist, wurde im Januar 2021 zu einer Inszenierung antidemokratischen Ressentiments der republikanischen Grand Old Party (GOP) und zu einer Art Putsch von radikalen Trump-Anhängern, die das Kapitol erstürmten.

In offener Verachtung für institutionelle und rechtliche Traditionen des amerikanischen Gesellschaftsprojekts, das 1776 als erster demokratischer Versuch begann, schlugen sich große Teile der konservativen Elite auf die Seite eines – man kann es nicht anders nennen: Staatsstreichs.

Angst und Hass statt Vertrauen und Respekt

Der Blick zurück macht die Dramatik dieser politischen Verwahrlosung deutlich. Im Januar 1961 hielt Präsident Dwight D. Eisenhower eine bemerkenswerte Abschiedsrede an die amerikanische Nation. Er erinnerte daran, dass die Vereinigten Staaten nur existieren könnten, wenn die Gesellschaft nicht „fürchterlicher Angst und Hass“ anheimfalle. Im Gegenteil, Amerika solle eine „stolze Konföderation gegenseitigen Vertrauens und Respekts“ sein. Ein Lebensalter später war Donald Trumps Amtsantritt von seiner düsteren Gegenrede geprägt: Groll und Verachtung für Politik und Gewaltenteilung sowie sein Raunen vom „amerikanischen Blutbad, das hier und jetzt enden wird.“ Zwischen den beiden Spitzenpolitikern der republikanischen Grand Old Party (GOP) liegen ein halbes Jahrhundert und politische Welten.

Donald Trump hat einen geschichtsblinden weißen Nationalismus befeuert, das Resultat eines Radikalisierungsprozesses, den die GOP in den vergangenen Jahrzehnten durchlief. Neuere Untersuchungen an der Harvard Universität zeigen, dass die Weltanschauungen der Wähler der ehemaligen Mitte-Rechts Partei sich inzwischen im Umfeld der spanischen VOX, der Schweizer Volkspartei, dem israelischen Likud und der deutschen AfD bewegen.

Verheerende Zerstörungen der demokratischen Institutionen

Den Patriotismus Eisenhowers verbindet mit der digitalen Demagogie der Trump-Unterstützer nichts mehr. Die USA erleben den vorläufigen Höhepunkt eines mehr als fünfzigjährigen Selbstzerstörungsprozesses der Republikanischen Partei, der direkt in die Präsidentschaft des Trump-Clans führte und verheerende Zerstörungen politischer Institutionen und Umgangsformen mit sich brachte; sein Motto lautete “Spalten statt Versöhnen“.

Autor*in
Michael Werz

arbeitet am Center for American Progress, einem liberalen Think Tank in Washington D.C. sowie als Mercator Senior Fellow 2020-2021.

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