Meinung

Wie ein aufgeklärter Patriotismus die Demokratie schützt

Dieser Tage wird mit verschiedenen Gedenktagen an die Verbrechen der Nationalsozialisten erinnert. Die Nazis zerstörten zuerst den gesellschaftlichen Zusammenhalt und instrumentalisierten ihn anschließend für ihre Zwecke. Der beste Schutz, dass sich so etwas nicht wiederholt, ist ein aufgeklärter Patriotismus.
von Johannes Kahrs · 31. Januar 2019
Aufgeklärter und wertegebundener Patriotismus ist ein unverzichtbares Fundament unserer Gesellschaft und letztlich unserer Demokratie, meint der Vorsitzende des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold Johannes Kahrs.
Aufgeklärter und wertegebundener Patriotismus ist ein unverzichtbares Fundament unserer Gesellschaft und letztlich unserer Demokratie, meint der Vorsitzende des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold Johannes Kahrs.

Die größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte jähren sich in diesem Jahr zum 74. Mal. Und gerade der Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 erinnert uns Deutsche besonders daran, was passieren kann, wenn gesellschaftliche und politische Fehlentwicklungen nicht von Anfang an ernst genommen werden. Die viel zitierten „Spaltungstendenzen“, die neben Deutschland auch eine Reihe anderer westlicher Länder derzeit bedrohen, müssen wir ernst nehmen. Hysterie ist damit nicht gemeint. Blinder Aktionismus wird die Lage nur verschärfen.

Die tagtägliche Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas

Und doch: Heutzutage beschleicht mich manchmal ein ungutes Gefühl. Denn wir haben mit der so genannten Alternative für Deutschland (AfD) eine Partei im Parlament, die rechtsradikale Ideen verbreitet. Aber das Problem sind in meinen Augen nicht nur deren Reden im Bundestag. Das Problem ist die tagtägliche Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas.

Den heutigen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus möchte ich daher zum Anlass nehmen, uns zu fragen, was uns heute als demokratische Gesellschaft zusammenhält. Denn es war eben jener gesellschaftliche Zusammenhalt, den die Nationalsozialisten in der Weimarer Republik erst zerstörten und dann im „Dritten Reich“ in ihrem Sinne instrumentalisierten. Für mich steht fest, dass sich nur eine wehrhafte und ihren Werten bewusste Gesellschaft den Angriffen von Antidemokraten widersetzen kann.

Kompass der selbstbewussten Orientierung

Welche Rolle spielt Patriotismus für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt? Was ist die Antwort unserer Gesellschaft auf den zunehmenden Hass in den sozialen Netzwerken, in Zeiten, in denen eine rechtsradikale Partei in allen deutschen Landesparlamenten sitzt und erst jüngst im bayerischen Landtag für einen widerlichen Eklat sorgte? Kann man als Sozialdemokrat da noch stolz auf Deutschland sein? Darf man das überhaupt? Gerade an dem heutigen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, wo man Seite an Seite im Bundestag mit Rechtsradikalen sitzt und die Gedenkstunde begehen soll?

Ein Blick auf die Wahlergebnisse und Diskussionen in unserem Land zeigt, dass diese Frage offensichtlich bei zu vielen Mitbürgern ungeklärt ist. Hier bedarf es eines klaren Kompasses aller demokratischen Parteien. Ein Kompass der selbstbewussten Orientierung. Denn Orientierung zu geben bedeutet: klare Ansagen zu machen und radikalem Gedankengut – sei es von links oder rechts außen – entschieden entgegen zu treten.

Heimat ist zutiefst demokratisch

Die Grundlage für eine funktionierende und stabile Gesellschaft ist ein positives Nationalbewusstsein, das sich auch seiner Verantwortung aus zwölf Jahren Terrorregime und Massenmord stets gewahr ist. Patriotismus meint dabei nicht nur den Stolz auf eine reichhaltige Kultur, auf Sprache, Kunst, Literatur, Musik, auf ein blühendes, schönes Land, sondern auch und gerade auf das, was Demokratinnen und Demokraten in Deutschland geschaffen haben: eine offene, tolerante und plurale Gesellschaft, die jedem auf Grundlage des geltenden Rechts erlaubt, seine Lebensweise zu wählen, seine Meinung frei zu äußern und nach dem individuellen Glück zu streben. Um es mit den Worten unseres Johannes Rau zu halten: „Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt. Ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet.“

Ferner muss Patriotismus als Mittel begriffen werden, das die Menschen an die Demokratie und damit an unser Land bindet. Demokratie ohne Heimat ist nicht möglich, dies hat der rheinland-pfälzische SPD-Chef Alexander Schweitzer völlig richtig festgestellt. Heimat ist nicht nationalistisch, sondern zutiefst demokratisch.

Patrioten können nur Demokraten sein

Kurzum: Aufgeklärter und wertegebundener Patriotismus, der auch im Sinne gelingender Integration Menschen mit ausländischen Wurzeln einlädt und nicht ausgrenzt, ist daher ein unverzichtbares Fundament unserer Gesellschaft und letztlich unserer Demokratie. Patrioten müssen und können nur Demokraten sein. In diesem Sinne verstanden, ist es das beste Mittel gegen Nationalismus und Spaltung.

In Zeiten, in denen die liberale Demokratie wieder unter Druck gerät und gewisse Leute behaupten, allein für das „wahre Volk“ zu sprechen (Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier) ist es an uns, selbstbewusst zu sein und der Kraft des demokratischen Arguments Geltung zu verschaffen. Seien wir deshalb mutig!

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Autor*in
Johannes Kahrs
Johannes Kahrs

ist Haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzender des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold.

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