Wie das deutsch-französische Parlament den europäischen Motor wieder zum Laufen bringt
Thomas Koeh ler/photothek.net
An diesem Montag versammelt sich das deutsch-französische Parlament zum ersten Mal seit seiner Gründung auf Initiative der beiden Parlamentspräsidenten, Richard Ferrand und Wolfgang Schäuble. Der deutsche Bundestag und die französische Nationalversammlung werden sich in diesem Rahmen fortan darum bemühen, die Beziehung zwischen unseren zwei Staaten zu stärken, die gebündelten Kräfte der zwei nationalen Parlamente noch mehr in den Dienst unserer europäischen Idee zu stellen und effizientere Politik für unsere deutschen und französischen Mitbürger zu machen.
Unsere Freiheit gegen Internetriesen schützen
Unter den Themen, die dieser Zusammenarbeit besonders bedürfen, ist die Frage, wie unsere beiden Demokratien in der Regulierung der Internetriesen voranschreiten, entscheidend sowohl für Deutschland, als auch für Frankreich und für ganz Europa. In einer Zeit, in der die Web-Giganten unseren Demokratien ihre „Metamacht“ aufzwingen, ist es dringend notwendig, dass wir das Recht weiterentwickeln und einen neuen gemeinsamen gesetzlichen Rahmen festlegen, um unsere individuellen und gemeinschaftlichen Freiheiten zu schützen.
Europa beschützt uns im alltäglichen Leben und lässt all seine Mitgliedstaaten an den Fortschritten der anderen teilhaben. Ohne die Europäische Union wäre Frankreich sicherlich nicht derart vorangekommen im Schutz der personenbezogenen Daten, ein Vorhaben, welchem die Bundesrepublik als Vorreiterin großen Antrieb gab. Ohne die Europäische Union hätte Deutschland sicherlich nicht in solchem Ausmaß den Schutz der kulturellen Ausnahmeregelung gefördert, der von Frankreich unermüdlich gefordert wurde und der letztendlich in der europäischen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste gipfelte.
Wir brauchen gemeinsame europäische Initiativen
Aber der Motor läuft nur auf halber Kraft und die Europäische Union passt sich noch zu langsam an die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen an. Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (E-Commerce Richtlinie), die den Web-Giganten den rechtlichen Rahmen in Europa vorgibt, datiert aus dem Jahr 2000 – eine Epoche, in der das Smartphone noch nicht existierte, genauso wie Twitter, Facebook und YouTube, in der Amazon noch in den Kinderschuhen steckte, während Google noch echte Konkurrenten hatte.
In Ermangelung einer starken europäischen Initiative, haben sowohl Frankreich als auch Deutschland in den letzten Monaten jeweils und unabhängig voneinander unermüdlich betont, dass die Regulierung der digitalen Plattformen in eine neue Phase eintreten muss. Dafür haben unsere beiden Länder kürzlich zahlreiche Gesetze erlassen: gegen Hasskommentare und illegale Inhalte im Internet in Deutschland (NetzDG, 2017) und gegen Fake News und ihre Verbreitung in Frankreich (loi contre la manipulation de l’information, 2018). Ein Gesetzesentwurf gegen hasserfüllte Inhalte wird in der französischen Nationalversammlung ebenfalls Ende Mai 2019 beraten. Gleichwohl all diese Fortschritte dringend nötig sind, geschehen sie isoliert voneinander und in einem veralteten europäischen Rechtsrahmen, der ihre Effektivität senkt. Dieser Zustand ist nicht länger tragbar.
Klare Regeln, klare Einschränkungen
Ist es noch vertretbar, diese Plattformen nicht für ihre Inhalte zur Verantwortung zu ziehen, wie es durch den europäischen Gesetzgeber in 2000 entschieden wurde? Anders gesagt, sind sie noch einfache Web-Hosts oder sollte man sie eher wie Redakteure betrachten? Wir finden, dass die Hierarchisierung der Inhalte durch ihre eigenen Algorithmen und der dadurch ermöglichte Verkauf von Werbeflächen, ganz klar aufzeigen, dass sie nicht mehr als einfache Web-Hosts eingestuft werden können. Wir müssen ihnen klare Regeln, klare Einschränkungen auferlegen, natürlich zusätzlich zur Verpflichtung der Plattformen, in unseren Ländern Steuern zu zahlen. Wir wünschen, dass diese Frage in das Arbeitsprogramm der neuen Institution aufgenommen wird.
So können wir die europäischen Bürger auf der Basis unserer gemeinsamen Vorschläge schützen, im Angesicht privater Unternehmen mit unvorstellbarem Börsenwert, die unablässig die persönlichen Daten von Millionen von Menschen ausbeuten und die ihre Stellung und ihre rapide wirtschaftliche Entwicklung nutzen, um sich jeglicher Verantwortung zu entledigen.
Eine bessere Zukunft für alle
Das deutsch-französische Parlament sollte demnach der bevorzugte Ort werden, an dem die Vertreter der deutschen und der französischen Bevölkerung gemeinsam auf eine legislative Kooperation hinarbeiten, Regeln entwerfen und Quelle gemeinsamer Vorschläge sind (natürlich im Zusammenspiel mit den jeweiligen nationalen Regierungsschwerpunkten), und im Wesentlichen im Falle der Internetriesen die Autorität unserer demokratischen Staaten über die digitalen Player und private Interessen wieder herstellen. Die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die im November vergangenen Jahres von der EU verabschiedet wurde und die nun in nationales Recht umgesetzt werden muss, könnte als erstes konkretes Beispiel für diese neue Kooperation dienen.
Das deutsch-französische Parlament soll auch den deutsch-französischen Motor neu beleben, der weder nur auf der gemeinsamen Vergangenheit der Versöhnung, des Friedens und des Wohlstandes, noch einzig auf der Energie der Exekutive (der berühmten deutsch-französischen „Paare“) basieren kann, sondern der eine bessere Zukunft verkörpern soll, die drei Namen trägt: Einigkeit und Recht und Freiheit, liberté, égalité et fraternité.
Es lebe das deutsch-französische Parlament!
ist Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages.