Meinung

Wer versteht etwas von Wirtschaft? Nicht die FDP!

Die FDP gilt als Partei mit großer Wirtschaftskompetenz. Der Blick ins Programm für die Bundestagswahl zeigt jedoch eine beschränkte Auffassung der Liberalen von Wirtschaft. Das würden vor allem die Kommunen zu spüren bekommen.
von Gustav Horn · 21. April 2021
Wieviel Wirtschaftskompetenz hat die FDP wirklich? Ökonom Gustav Horn hat ihr Programm für die Bundestagswahl unter die Lupe genommen.
Wieviel Wirtschaftskompetenz hat die FDP wirklich? Ökonom Gustav Horn hat ihr Programm für die Bundestagswahl unter die Lupe genommen.

Umfragen zeigen es immer wieder: Wenn es um „Wirtschaft“ geht wird der Union und der FDP die höchste Kompetenz zugeschrieben. Wirtschaftskompetenz gehört gleichsam zu ihrem Markenkern, besonders bei der FDP.  Aber stimmt das eigentlich? Ohne Zweifel besteht eine gewisse Nähe der FDP zur Wirtschaft. Aber Nähe ist nicht gleich Kompetenz.

Wirtschaft ist mehr als Unternehmern*innen und Unternehmen

Es beginnt schon mit dem Verständnis von Wirtschaft. Wirtschaft wird in der FDP gerne mit Unternehmern*innen und Unternehmen gleich gesetzt. Schon das ist falsch. Wirtschaft besteht neben diesen auch aus Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen Konsumentinnen und Konsumenten, Rentnerinnen und Rentnern und nicht zu vergessen die öffentlichen Gebietskörperschaften mit ihren vielfältigen Aktivitäten. All ist dies ist Wirtschaft.

Wahre Wirtschaftskompetenz zeigt sich denn auch, wenn dies alles in Bild genommen und ein gesamtwirtschaftlicher Ansatz vertreten wird; nicht nur einzelne Aspekte, vorzugsweise von Unternehmen. Denn die Interessen der Unternehmen müssen nicht die Interessen der Gesamtwirtschaft sein. Das macht Wirtschaftspolitik nicht einfacher und manche Entscheidung fällt schwer, aber es ist der Weg der Kompetenz.

Die FDP verharrt im Freund-Feind-Denken

Im Programm der FDP für die Bundestagswahl kommt jedoch nur eine beschränkte Auffassung  von Wirtschaft Geltung. Der wirtschaftspolitische Teil des Programms ist im Wesentlichen aus der Perspektive von Unternehmen geschrieben, die zudem in weiten Teilen überkommen ist, da sie den Staat als einen prinzipiellen Gegner der privaten Wirtschaft  beschreibt. Damit übersehen die Freien Demokraten jene moderneren Vorstellungen von Ökonomie, die dem Staat eine Treiberrolle im  notwendigen Wandel in unserer Zeit  zuschreiben. Der Staat wird in dieser Sicht zum leistungsorientierten Auftraggeber der Wirtschaft, nicht deren Gegner.  Stattdessen verharrt die FDP in ihrem traditionellen Freund-Feind-Denken und schlägt entsprechende  Maßnahmen vor.

Prominentes Beispiel ist die wieder einmal die Steuerpolitik. Aus unternehmerischer Sicht sind Steuern nur Kosten. Also schlägt die FDP ein massives Steuersenkungsprogramm insbesondere für Unternehmen vor. Ein zentraler Bestandteil ist dabei die Abschaffung der Gewerbesteuer. Wohl wissend, dass sie den Kommunen damit die finanzielle Basis auch zur Finanzierung des Wandels entzieht, versprechen die Liberalen ihnen ein vergiftetes Gegengeschenk. Nach dem Wunsch der FDP sollten die Kommunen in Zukunft einen kommunalen Hebesatz auf die Einkommenssteuer erheben können, die aber zuvor abgesenkt werden müsse. Mit anderen Worten: Der Staat als Ganzes soll auf die Einnahmen der Gewerbesteuer verzichten, während die Kommunen versuchen sollen, sich an der Einkommensteuer schadlos zu halten.

Kommunen würden zu Steueroasen

Der Versuch wird im übrigen absehbar scheitern. Denn hier kommt das Gift in diesem Vorschlag zum Tragen. Die FDP löst mit diesem Vorschlag einen Einkommensteuerwettbewerb aus, der die Kommunen massiv unter Druck setzt, die Hebesätze möglichst niedrig zu anzusetzen und damit die Einnahmeausfälle wahrscheinlich nicht auszugleichen vermag. Zugleich erschafft man auf diese Weise kommunale Steueroasen und verbreitert die ohnehin übergroße Kluft zwischen armen und reichen Gemeinden. Letztere können sich ohne große Opfer niedrige Hebesätze leisten, erstere nicht. Damit werden Wohlhabende, um Steuern zu sparen, tendenziell in bereits reiche Kommunen umziehen, deren Steuerkraft weiter stärken und die der ärmeren zusätzlich schwächen. So schafft man Oasen des Reichtums und Wüsten der Armut, die anschließend nur über komplizierte Finanzausgleichsverfahren wieder zu korrigieren sind. Das dürfte dann aber vor allem von der FDP als Bestrafung von kommunaler Leistung kritisiert werden.

Am Ende betritt die FDP noch fiskalpolitisches Wunderland. Denn trotz dieser Steuersenkungen, die die öffentlichen Haushalte spürbar belasten werden, will die FDP die Schuldenbremse mit ihren die Haushalte zusätzlich strapazierenden  Tilgungsverpflichtungen für die Schulden aus der Corona Krise einhalten.  Kein Wort dazu, wie dies ohne die Wirtschaft zum Absturz bringende Austeritätspolitik geschehen soll und kann. An dieser Stelle wird der Kompetenzmangel offenkundig. Eine gesamtwirtschaftlich kompetente Partei hätte mit Schmerzen, aber seriös entschieden, ob ihr Steuersenkungen oder die Einhaltung der Schuldenbremse wichtiger wären. Aber das ist nicht die FDP.    

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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