Meinung

Welttierschutztag: Es ist an der SPD, die Tierausbeutung zu beenden

Viele Tiere leben in Deutschland unter katastrophalen Bedingungen. Dabei gibt es mehr als genug Alternativen, um die Tierausbeutung zu beenden. Die SPD sollte sich dafür stark machen.
von Stefan Sander · 3. Oktober 2020
Armes Schwein: Im System der Tierindustrie wird ein Schwein nur sechs Monate alt, obwohl es eine biologische Lebenserwartung von zehn Jahren hätte.
Armes Schwein: Im System der Tierindustrie wird ein Schwein nur sechs Monate alt, obwohl es eine biologische Lebenserwartung von zehn Jahren hätte.

Tiere empfinden wie wir Menschen Schmerzen. Sie haben daher ein Interesse daran, keinem unnötigen Leid ausgesetzt zu sein. Sie wollen auch, dass ihre jeweils individuellen und speziesspezifischen Grundbedürfnisse gestillt sind. Diese banalen Einsichten müssen die Grundlage unseres Tierschutzes sein. Tun wir Tieren außerhalb einer Notsituation Gewalt an, müssen wir dies folglich als Ausbeutung verstehen. Und Ausbeutung wollen wir beenden. Denn als demokratische Sozialist*innen dürfen wir nicht hinnehmen, dass Tiere einfach zu unserem Nutzen – zur Ernährung oder Unterhaltung – da sind. Wir können keine vermeintlich von Gott gegebene Ordnung ins Feld führen, die eine Ausbeutung rechtfertigt.

Menschen produzieren Tierleid

Im Jahr 2019 wurden in Deutschland rund 763 Millionen Tiere geschlachtet. Auf unserer Webseite haben wir einen selbst entwickelten Tiertötungszähler eingebunden, der diese schwindelerregenden Dimensionen ein wenig verständlicher machen soll.

Im System der Tierindustrie wird ein Schwein nur sechs Monate alt, obwohl es eine biologische Lebenserwartung von zehn Jahren hätte. Eine „Milchkuh“ wird viereinhalb Jahre alt (Lebenserwartung 25 Jahre). Ein „Masthähnchen“ wird nur fünf bis sieben Wochen alt (Lebenserwartung fünf Jahre). Eine echte vegetarische Eier- und Milchproduktion, also eine ohne Tötung, gibt es nicht. Denn sowohl „Legehennen“ als auch „Milchkühe“ werden bei abnehmender „Leistung“ geschlachtet. Die qualvollen Existenzbedingungen der einzelnen Tierarten können auf der Seite der Albert Schweitzer Stiftung nachgelesen werden.

Gesellschaftliche Dimensionen der Katastrophe

Weil wir uns auch gut ohne Tierindustrie ernähren können, weil es ohne Tierleid und Tierproduktion geht, sprechen wir von Tierausbeutung. Diese Tierausbeutung ist eine Katastrophe. Und wenn CDU-Minister*innen die Fortsetzung der Tierquälerei ermöglichen, ist das ein Skandal. Es nutzt allerdings nichts, wenn wir unseren Fokus immer nur auf einzelne Skandale richten. Vielmehr muss es darum gehen, die Ausbeutung der Tiere in ihrer grundlegenden Verbindung zu kapitalistischen Produktionsverhältnissen und anderen Formen der Unterdrückung zu verstehen und zu kritisieren.

Zurzeit ist der Begriff des „Tierwohls“ ist in aller Munde. Dabei ist er hochproblematisch. Das Tierwohl-Framing der Tierindustrie zu übernehmen, bedeutet gerade nicht, das Wohl eines jeden Tieres zu berücksichtigen. Vielmehr wird vor allem das Wohl der Tierindustrie berücksichtigt. Nicht zuvorderst über Alternativen zur Tierindustrie nachzudenken, ist daher ein Teil der gesellschaftlichen Katastrophe.

Tierproduktion und Klimakatastrophe

Die Lebensmittel- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt, dass die Viehhaltung weltweit für 14,5 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich ist. Andere Studien kommen auf bis zu 25 Prozent, doch selbst ausgehend von der konservativen Einschätzung der FAO werden Tierprodukte im Jahr 2050 mehr als die Hälfte des Treibhausgas-Budgets für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels verschlingen. Rechnet man hier noch das von den Konzernen prognostizierte Produktionswachstum hinzu, sind es sogar mehr als  80 Prozent. Damit ist unmissverständlich klar, dass sich die Klimaziele nicht ohne Reduzierung der Tierproduktion erreichen lassen.

Das Einhalten dieser Ziele und damit das Verhindern der Klimakatastrophe ist die wichtigste Aufgabe unserer Gesellschaft. Auch in den Augen vieler Wähler*innen.

Was hilft: Ausstieg aus der Käfigethik

Daher benötigt die SPD endlich konsistente Tierschutzforderungen, die zusätzlich gegen die Klimakatastrophe wirken. Es müssen zudem Forderungen sein, mit denen sie sich vor niemanden mehr zu verstecken braucht. Wir sagen:

  • Alle wissen, dass die Tierproduktion bis 2030 massiv gesenkt werden muss. Wir müssen endlich weitgehende Ziele festlegen, die dabei helfen, die Ausbeutung von Tieren zu verringern und das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. „Sozis für Tiere“ fordert daher die Halbierung der Tierproduktion bis 2030.
  • Keinesfalls dürfen Steuermittel für „Tierwohl“-Stallumbauten oder weitere Schlachthöfe fließen. Vielmehr werden diese Ressourcen benötigt, um den Abbau von Produktionskapazitäten zu unterstützen, etwa durch „warme Sanierungen“. So können Betriebe zukünftig deutlich weniger Tiere, „viehlos“ oder „bio-vegan“ produzieren.
  • Die Ernährungsbildung in Deutschland ist bekanntermaßen schlecht. Dabei wäre etwa die Einhaltung der Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung sowie die Bewerbung der Vorteile pflanzlicher Ernährung – ähnlich der Kampagne „Zu gut für die Tonne“ – von hoher Bedeutung für eine nachhaltige Ernährung.

Mit diesen Forderungen punktet die SPD sicher auch bei der jüngeren Generation, der insbesondere Tier- und Klimaschutz sehr am Herzen liegen.

Was kann die Parteibasis tun?

Die Parteibasis findet bei Sozis für Tiere ein Beschlussarchiv mit mehr als 300 Beschlüssen von SPD und Jusos zur Ernährungs-, Landwirtschafts- und Tierschutzpolitik. Das Archiv hilft ungemein bei der Entwicklung neuer Anträge.

Außerdem laden wir alle ein, an unserem Lesekreis teilzunehmen. Er wird sich zunächst mit dem (als PDF frei verfügbaren) Buch „Haben Tiere Rechte?“ der Bundeszentrale für politische Bildung auseinandersetzen.

Es liegt an der SPD, die Tierausbeutung zu beenden.

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