Meinung

Welche Rolle die Energienetze beim Ausbau der Erneuerbaren Energien spielen

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien setzt einen grundlegenden Umbau der Energienetze voraus. Dieser darf nicht allein dem Markt überlassen werden.

von Bernd Schwarz · 1. Januar 2024
Mit dem Umstieg auf Erneuerbare Energien muss sich auch das Stromnetz verändern.

Mit dem Umstieg auf Erneuerbare Energien muss sich auch das Stromnetz verändern.

Der Umstieg auf Erneuerbare Energien stellt ganz andere Anforderungen an die Energienetze als unsere bisherige Energieversorgung. Entscheidend für die Transformation ist deshalb die Frage, wie der Umbau der Energienetze über alle Sparten hinweg koordiniert und geplant werden kann, um ein Gesamtoptimum der Investitions- und Betriebskosten zu erreichen. Als Sparten soll in diesem Zusammenhang verstanden werden: Strom, Wärme, Wasserstoff, Synthetische Gase, CO2.

Neue Infrastrukturen schaffen neue Abhängigkeiten

Bisher gibt es nur einen Netzentwicklungsplan 2020 – 2030 für das Gasfernleitungsnetz und einen Netzentwicklungsplan 2021- 2035 für das elektrische Übertragungsnetz. Beide Netzentwicklungspläne basieren einzig und allein auf der Basis der Anforderungen an die Kapazitäten in der jeweiligen Sparte. 

Der Autor vertritt die Auffassung, dass vorgenannte  Infrastrukturplanungen voneinander abhängig sind. Die neuen Infrastrukturen für Wasserstoff schaffen neue Randbedingungen und Abhängigkeiten der Infrastrukturen im klassischen Strom- und Gasbereich bis zur Ebene der Wärmenetze.

Das Transformationsprogramm sollte eine Gesamtplanung der Fernleitungsnetze aller Sparten (Strom, Methangas, Wasserstoff, CO2, Wärmenetze) verlangen und einfordern. Diese Gesamtplanung muss auf der Ebene des Bundes und mit den europäischen Partnern, mit der verbrauchenden Industrie und den bestehenden CO2-Quellen abgestimmt werden.

Strom lokal verbrauchen oder umwandeln

Die Gesamtplanung aller Fernnetze muss zuerst mit der Identifizierung aller Knoten über alle Sparten beginnen. Danach können Planungen und Szenarienvergleiche zur Umsetzung der Kanten (Gas oder Strom das hier ist die Frage) im Modell erarbeitet werden.

Ein Beispiel vermag diese Anforderung an die Gesamtplanung verdeutlichen: Wenn die überschüssige Jahresarbeit aller erneuerbaren Kraftwerke in Norddeutschland auch in Umwandlungskapazitäten innerhalb dieser Regionen zu Wasserstoff verarbeitet wird, dann reduzieren sich die Kapazitätsanforderungen des Übertragungsnetzes erheblich. Es muss der Grundsatz gelten: Erneuerbarer Strom sollte lokal verbraucht oder regional (z.B. im Bundesland) in speicherbaren Wasserstoff oder SNG umgewandelt werden. Die Gesamtplanung aller Energiefernnetze muss auf das Ziel des Kostenminimums ausgerichtet werden. 

Charakteristisch ist hierbei auch die Forderung aus der Politik nach der Installation von Elektrolyseuren in lokaler Nähe zu Windparks. Energiewirtschaftlich und technisch ist dies nicht sinnvoll. Elektrolyseure sollten dort gebaut werden, wo Nahwärmenetze die anfallende Wärme des Elektrolyseurs und der potentiellen Methanisierungsanlage nutzen können. Insgesamt lässt sich so der Wirkungsgrad der Wasserstoff-Erzeugung und Rückverstromung von 45 auf rund 80 Prozent erhöhen (machbar durch die Auskopplung der Wärme). 

Der Markt allein wird es nicht regeln

Die Randbedingungen der Netzentwicklungsplanung sind wie folgt zu beschreiben:

  • Stromtransportleitungen (380 KV oder HGÜ) sind um den Faktor 10 bis 20 teurer bezogen auf die Transportkapazität in GW
  • Nutzung bestehender Gasleitungen und Gasspeicher ist um Größenordnungen billiger als der Bau oder Umbau von Betriebsmitteln für Wasserstoff-Transporte
  • Wärme aus Energieverlusten von Elektrolyseuren oder Methanisierungsanlagen lässt sich am besten dezentral an Fernwärmeknoten verwenden und erhöht die Energieeffizienz

Kann der Markt die wirtschaftlich optimale Form der Technologien erreichen ohne jede staatliche Regulierung und Einflußnahme? Welche Leitplanken und volkswirtschaftlichen Grundsatzentscheidungen sind dafür erforderlich? Die Diskussion hierzu wird in der Öffentlichkeit in großer Bandbreite geführt. Die Antwort vieler Parteien liegt in dem Begriff  „Technologieoffenheit“ und beinhaltet das Vertrauen in den Markt für die Findung der richtigen Entscheidungen.

Die Aufgabe einer koordinierten Netzentwicklungsplanung über alle Sparten ist das Gesamtoptimum der Investitions- und Betriebskosten. Angesichts der Komplexität und des Umfangs wird die Antwort vieler sein: Diese Aufgabe kann nur der Markt regeln oder lösen.

Fakt ist jedoch auch, das alle Strom und Gasnetzbetreiber Monopolunternehmen sind und damit der Aufsicht durch die Bundesnetzagentur unterliegen.

Der Netzausbau muss kontrolliert werden

Die Fernnetzplanung muss durch die Exekutive und BNetzA kontrolliert und beaufsichtigt werden. Entscheidungen dürfen ausschließlich an volkswirtschaftlichen Bewertungen ausgerichtet werden.

Bisher war die Situation völlig anders: Die Höchstspannungsbetreiber haben in Abstimmung mit der Politik den Ausbau der Stromtransportnetze geplant. Der Netzbetreiber erhöht durch den zusätzlichen Kapitaleinsatz die eigene Rendite oder Gewinnmarge. Es ist praxisfern zu erwarten, dass seitens der Unternehmen der altruistische Hinweis auf kostengünstigere technische Lösungen erfolgt. Es wäre Aufgabe der BNetzA und der Verbände gewesen auf diese Tatsache hinzuweisen.

Ein weiteres zu lösendes Problem ist der „Wasserstoff-Hype“. Es bestehen nach Kenntnis des Autors keine Wirtschaftlichkeitsvergleiche hinsichtlich des Einsatzes von SNG oder von Wasserstoff für die Versorgung von Wärmenetzen.

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Bernd Schwarz

ist Diplom-Ingenieur hat hat Kompetenz in der Energiewirtschaft durch IT-Entwicklungsprojekte in den Themen Netzbetrieb und -dokumentation, Energieabrechnung mit SAP IS-U, Energie-Portfoliomanagement, Smart Meter.

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6 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Di., 02.01.2024 - 12:47

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Das hochjubeln von "erneuerbarem" H2 mag zwar "in" sein, aber es berücksichtigt nicht die chemischen, physikalischen und enrgetischen Eigenschaften diese Elements.
Und was soll das ? in AbuDabi (oder irgendwo sonst) soll Methan zersetzt werden und der H2 wird dann direkt, oder als "blauer" H2 (ammoniak) importiert um dann durch weitere energiintensive Prozesse abermals in Methan oder sogenannte e-fool (!) umgewandelt werden, damit der Lindner weiterhin seinen röhrenden Porsche fahren kann.

Gespeichert von Bernd Schwarz (nicht überprüft) am Mi., 03.01.2024 - 16:48

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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Es geht mir darum die Randbedingungen und wirtschaftlichen Grundlagen der Fernleitungsplanungen zu verdeutlichen. Ich kann leider den Bezug Ihres Kommentars zum Artikel nicht verstehen.

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Mi., 03.01.2024 - 11:29

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bis gar nichts zu tun mit dem Kraftstoff, sondern beruht ausschließlich auf Manipulationen am Auspuff. Dann röhrt auch eines Mofa nicht weniger laut als eine 1000er Honolulu, das kann ich aus eigener Erfahrung berichten. Davon abgesehen bin ich ganz bei Ihnen, es erscheint alles wenig wirtschaftlich, was da veranstaltet wird- jetzt kommen auch noch neue Pipelines ins Spiel, um H aus dem Süden nach Deutschland zu bringen, zwecks Aufrechterhaltung unserer Stahlproduktion. Es wäre um ein Vielfaches einfacher, den Stahl dort zu produzieren, wo die Energie zuhause ist- also außerhalb Deutschlands. Wir importieren so vieles, da können wir auch beim Stahl auf die ohnehin nur noch wenigen heimischen Produktionsstätten verzichten

Gespeichert von Bernd Schwarz (nicht überprüft) am Mi., 03.01.2024 - 16:51

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Besten Dank für Ihren Kommentar. Das H2 Backbonenetz dient nicht nur der Stahlerzeugung sondern auch der Erzeugung gesicherter Leistung (Kapazitätsmarkt oder Reserve-Kraftwerke)
Eine De-Industrialisierung würde ich mir nicht wünschen.

Gespeichert von Klaus Georg (nicht überprüft) am Fr., 09.02.2024 - 15:36

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Lieber Bernd!
Deine Thesen zum Umbau der Energienetze kann ich voll und ganz nachvollziehen und finde sie sehr gut. Energieversorgung muss sicher, effizient und sozial ausgeglichen sein. Ob das alles ohne ein Minimum an Planung möglich ist, kann man getrost bezweifeln, denn der Markt ist ja auch auf allen anderen Ebenen nicht in der Lage, diese Kriterien umzusetzen. Was aber spätestens in der heutigen Zeit auch bei dieser Diskussion fehlt, ist der inzwischen absolut notwendige achtsame Umgang mit Natur und Umwelt. Es darf uns nicht passieren, dass wir zwar CO2-neutral werden, dabei aber unsere Lebensgrundlagen zerstören.
Solidarische Grüße, Klaus