Was die Soli-Abschaffung bringt – und was nicht
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In der Politik wie im wahren Leben kann man es niemals allen recht machen. Das hat die Bundesregierung und insbesondere der Finanzminister vergangene Woche erfahren müssen, als seine Pläne für die Senkung des Solidaritätszuschlag zur Einkommenssteuer bekannt wurden. Kritik kam von allen Seiten. Da sind die einen, insbesondere in der CDU/CSU sowie einigen Oppositionsparteien, die fordern, den Soli komplett abzuschaffen. Und da sind die anderen, Teile der SPD, Grünen und Linken, die dafür plädieren, ihn vollständig beizubehalten bzw. ihn komplett in den Einkommenssteuertarif zu integrieren.
Konjunkturell bringt der reduzierte Solidaritätszuschlag wenig
Zwei Argumentationsstränge spielen in dieser Auseinandersetzung eine gewichtige Rolle: Der eine betrifft die Konjunktur und der andere die Glaubwürdigkeit. Manche wie der Bundeswirtschaftsminister sind der Überzeugung, dass es der derzeit schwächelnden Konjunktur helfen würde, die Steuern zu senken. Die komplette Abschaffung des Soli käme insofern sehr gelegen. Dieses Argument ist aber bestenfalls schwach fundiert.
Die konjunkturelle Wirkung permanenter Steuersenkungen für Einkommen ist gering. Ihre größte Wirkung entfaltet sie ausgerechnet bei den höheren Einkommen, die aber einen Großteil des höheren Nettoverdienstes sparen werden. Damit verpufft dessen Wirkung auf die Konjunktur. Will man die Konjunktur stimulieren, wäre es sinnvoller, den gleichen Betrag, mit dem der Steuerausfall den Haushalt belastet, für öffentliche Investitionen einzusetzen, deren Konjunktur stimulierende Wirkung deutlich höher wäre. Konjunkturell bringt also der reduzierte Solidaritätszuschlag wenig bis nichts.
Das Auslaufen des Solidaritätszuschlags war zeitlich nie fixiert
In den vergangenen Wochen wurde daher zunehmend angeführt, es sei eine Frage der steuerpolitischen Glaubwürdigkeit den Steuerzuschlag abzuschaffen. Schließlich sei der Zuschlag von Anfang an temporär konzipiert gewesen, um die marode Infrastruktur in Ostdeutschland zu modernisieren. Mit dem Auslaufen des Solidarpaktes könne dieser Prozess als abgeschlossen betrachtet werden.
Man kann nun darüber streiten, ob die ostdeutsche Infrastruktur wirklich auf dem Stand des Westens angelangt ist. In weiten Teilen ist dies sicherlich der Fall, teilweise ist aber mittlerweile die Infrastruktur im Westen verfallen, so dass eine veränderte Verwendung dieser Steuereinnahmen durchaus zu rechtfertigen wäre. In jedem Fall läuft der Solidarpakt aus. Allerdings war das Auslaufen des Solidarzuschlags zeitlich nie konkret fixiert, auch nicht auf das Auslaufen des Solidarpaktes.
Insofern ist das Argument der Glaubwürdigkeit lediglich in einem allgemeinen politischen Sinn tragfähig. Eine als temporär deklarierte Steuer sollte demnach tatsächlich innerhalb absehbarer Zeiträume wieder abgeschafft werden. Doch an dieser Stelle lauert ein Konflikt. Denn es gibt nicht nur eine steuerpolitische, sondern auch eine verteilungspolitische Glaubwürdigkeit. Die SPD hat versprochen, die Ungleichheit in unserem Land zu verringern. Den Solidaritätszuschlag abzuschaffen heißt aber wegen der zwangsläufig stärkeren Entlastung höherer Einkommen, die Ungleichheit zu erhöhen. Welche Glaubwürdigkeit soll nun verletzt und welche erhalten bleiben?
Andere steuerpolitische Vorschläge gewinnen an Bedeutung
Der jetzt eingeschlagene Weg versucht einen Kompromiss. Er entlastet über 90 Prozent der Steuerzahler und nur die höchsten Einkommensbezieher nicht. Auf diese Weise wird der zwangsläufige Anstieg der Ungleichheit zwar gedämpft, aber nicht aufgehoben. Das erzeugt sicherlich für alle Regierungsparteien ein Glaubwürdigkeitsproblem, aber eben auch für die SPD.
Vor diesem Hintergrund gewinnen jedoch andere steuerpolitische Vorschläge an Bedeutung, die die Zunahme der Ungleichheit auffangen können. Die Wiederbelebung der Vermögenssteuer ist so ein Vorschlag. Zum einen ist es in Deutschland ohnehin steuerpolitisch sinnvoll, die Steuerlast stärker von Einkommen auf Vermögen, bei dem die Ungleichheit besonders hoch ist, zu verlagern. Zum zweiten würde dies die steuerpolitische und verteilungspolitische Glaubwürdigkeit der SPD stärken. Mit dieser weiter reichenden Reform des Steuersystems könnte man es dann zumindest der SPD recht machen.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.