Meinung

Warum Merkels Kniefall vor Europas Rechtspopulisten so gefährlich ist

Bundeskanzlerin Angela Merkel beugt sich dem Druck der Rechtspopulisten aus Italien, Polen und Ungarn: Gegen deren Widerstand will sie keinen EU-Kommissionspräsidenten durchsetzen. Die Feinde der EU triumphieren. Noch ist Zeit, das Ruder herumzureißen.
von Lars Haferkamp · 2. Juli 2019
placeholder

Der EU-Gipfel vom 1. Juli 2019 ist ein neuer Tiefschlag für Europa und seine demokratischen Werte. Er muss allen, denen Europa am Herzen liegt, tiefe Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Viele Medien scheinen allerdings die wahre Dimension des Problems noch gar nicht erfasst zu haben.

Antieuropäische Propaganda

Das Problem ist nämlich nicht, dass die Personalfindung auf dem Brüsseler Gipfel wieder einmal länger dauert, als geplant und gewünscht. Bei einem so wichtigen Personalpaket, das die EU-Kommision, das EU-Parlament und die Europäische Zentralbank umfasst, sollte Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen. Zwischen dutzenden Ländern und Parteien, zwischen nationalen und europäischen Ebenen einen umfassenden Kompromiss zu finden, ist kompliziert und braucht seine Zeit. Wer das als „Postengeschacher“ oder „Personalpoker“ diffamiert, hat die Komplexität nicht verstanden und betreibt – ob gewollt oder nicht – das Geschäft antieuropäischer Propaganda.

Das Problem ist auch nicht, wie es manche deutsche Medien gern vereinfachen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel sich nicht durchsetzen konnte – trotz ihrer Einigung mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Spaniens Premier Pedro Sanchez. Das mag für Frau Merkel persönlich bitter sein, aber das ist wirklich nicht der entscheidende Punkt.

Merkel gibt Europafeinden Veto-Recht

Das eigentliche Problem für Europa wurde gestern offenbar bei Merkels Pressekonferenz im Anschluss an den Gipfel. Hier adelte die Kanzlerin nämlich die Verächter und Gegner der europäischen Werte in Italien, Polen und Ungarn zu Veto-Mächten in der EU. Nichts anderes bedeutet nämlich Merkels Ankündigung, gegen deren Willen und ohne deren Zustimmung keinen Kommissionspräsidenten vorzuschlagen, auch wenn dieser eine Mehrheit der Staats- und Regierungschefs und des Europäischen Parlamentes hätte.

Das ist ein Kniefall vor den Rechtspopulisten, wie ihn vor kurzem noch kaum jemand für möglich gehalten hätte. In Rom, Warschau und Budapest werden gestern die Champagnerkorken geknallt haben. Endlich haben die dortigen Rechtspopulisten die EU dort, wo sie sie schon immer haben wollten: auf den Knien.

Gefährliche Appeasement-Politik der Kanzlerin

Was treibt Angela Merkel zu dieser gefährlichen Appeasement-Politik gegenüber den erklärten Gegnern der europäischen Einigung? Mit diesen Leuten möchte die Kanzlerin in den nächsten fünf Jahren zusammenarbeiten, so ihre offizielle Begründung vor der Presse.

Zusammenarbeiten? Wie soll eine solche Zusammenarbeit denn aussehen? Die Nationalisten wollen die EU zerstören. Das erklären sie selbst seit Jahren. Kein vernünftiger Mensch kann daran zweifeln, denn ihre Taten beweisen es – in Rom, in Warschau und in Budapest. Worauf hofft Merkel? Auf die wundersame Bekehrung vom Saulus zum Paulus? Dass es ihr gelingt, aus beinharten Nationalisten friedliebende Europäer zu machen?

Triumphieren die Rechten über Timmermans?

Genauso verheerend für die EU und ihre Werte ist, dass Merkel den mutigen und aufrechten Europäer Frans Timmermans den Rechtspopulisten opfert. Der Sozialdemokrat Timmermans wird nun bestraft für seinen an den europäischen Werten orientierten Kurs gegen die Europafeinde: Er machte sich stark für die Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Polen und Ungarn wegen Rechtsstaatsverstößen. Sollte er scheitern, wäre dies ein weiterer Grund für Europas Rechte, die Sektkorken knallen zu lassen.

Kann ein Kommissionspräsident, der die Unterstützung der rechtspopulistischen Machthaber in Rom, Warschau und Budapest genießt, eine gute Wahl für Europa sein, wie Merkel glaubt? Das kann er natürlich nicht. Es sei denn, man erwartet vom neuen Kommissionspräsidenten, dass er in Brüssel das Zerstörungswerk der Nationalisten am europäischen Haus umsetzt.

Ein schwerer Fehler Merkels

Dass Frans Timmermans auf so harten Widerstand der Rechtspopulisten trifft, weist ihn doch als wahren Europäer aus. Der Widerstand der Rechten hätte Merkel zeigen müssen, dass sie den richtigen Kandidaten gefunden hat. Merkel aber beugt sich dem Widerstand und zieht den Personalvorschlag zurück. Ein schwerer Fehler.

Bleibt nur zu hoffen, dass Merkels unselige Taktiererei Episode bleibt, wenn es gelingt, am Ende doch noch ein gutes Personalpaket zu vereinbaren. Egal ob für die EU-Kommission, das EU-Parlament oder die Europäische Zentralbank: Es werden überzeugte Europäer gebraucht, die den Nationalisten und Rechtspopulisten Widerstand entgegensetzen und die europäischen Werte verteidigen. Nur so hat Europa eine gute Zukunft.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare