Warum es beim Klimaschutz auf Vertrauen ankommt
Die Wahlkampfzeit ist eine Zeit für kurze Botschaften. Da gerät manchmal aus dem Blickfeld, dass Menschen mit ihrer Stimme Vertrauen geben und Macht auf Gewählte übertragen. Das gilt auch für das Megathema Klimaschutz in diesem Wahlkampf. Den meisten ist dabei klar, dass Klimaschutz eine Querschnittsaufgabe ist, die viele Lebensbereiche berührt – von der Mobilität über die warme Wohnung bis hin zu Industriearbeitsplätzen.
Vertrauen gewinnt man nicht mit der Abrissbirne und Verboten
Vertrauen schafft man dabei nicht mit der gebetsmühlenartigen Wiederholung von Dagegen-Botschaften: gegen die Kohle, gegen Erdgas. Mir waren solche Verkürzungen immer suspekt, auch als wir für den Atomausstieg gekämpft haben. Denn die entscheidende Frage ist bekannt: Ein schnellerer Ausstieg funktioniert nur mit dem beschleunigten Einstieg in die Erneuerbaren und dem Umbau der Infrastruktur. Vertrauen hierfür gewinnt man nicht mit der Abrissbirne – zu viele Menschen haben Sorge vor dem Wandel.
Wer schon ein Elektroauto fährt, weiß, wie gut das funktioniert. Von denen, die es nicht wissen, haben viele Angst, man wolle ihnen den Diesel wegnehmen. Es braucht Vertrauen, dass die Wende in sozialer Verantwortung und mit wirtschaftlicher Kompetenz umgesetzt wird und im Alltag funktioniert.
Das gilt genauso für die Zukunft der Arbeit. Wer gibt den Arbeitsmarkt ganzer Regionen auf, deren Wertschöpfung (noch) voll auf einen Wirtschaftszweig konzentriert ist? Wer lässt Menschen ins Bodenlose fallen, deren gut bezahlte Arbeitsplätze davon abhängen? Vielleicht auch das noch nicht abbezahlte Eigenheim? Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mit Sicherheit nicht.
Die Würde erhalten und Zuversicht geben
Aus Verantwortung fürs Ganze hat die SPD in Regierungsverantwortung allerdings etwas gemacht, das andere Parteien noch vor sich haben. Sie hat den Beschäftigten in der Braunkohle – also den eigenen Leuten: Gewerkschaftern und Mitgliedern in der Lausitz, im mitteldeutschen Braunkohlerevier und am Niederrhein – sagen müssen: Ihr habt wichtige Arbeit für den Wohlstand der Gesellschaft geleistet, aber künftig machen wir das anders – mit Erneuerbaren Energien.
Wer einmal in der Lausitz war und mit Betroffenen gesprochen hat, weiß, welche Welt zusammenbricht. Es ist nun eine nationale Aufgabe, diesen Regionen ihre Würde zu erhalten und Zuversicht zu geben. Meines Erachtens braucht es dazu mehr als Strukturwandel. Es braucht vor allem Respekt vor der geleisteten Arbeit und den Lebensleistungen der Menschen. Und es braucht ein neues Selbstbewusstsein: Wir bleiben Energieregion Nummer eins – ab jetzt erneuerbar.
Erneuerbare werden zum Standortvorteil und Jobmotor
Erste Hoffnungszeichen für ein neues Selbstbewusstsein leuchten auf. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wird nicht müde zu betonen, dass der starke Ausbau von Wind- und Solarenergie in Brandenburg ein Standortvorteil ist – ein Jobmotor in der Energieerzeugung und durch neue Industrieansiedlungen, weil Erneuerbare günstigen und zukunftsfähigen Strom bringen. Wo günstiger Strom produziert wird, siedeln sich seit jeher Unternehmen an. Das neue E-Auto- und Batteriewerk von Tesla in Grünheide und das Werk für Batteriematerialien von BASF in Schwarzheide lassen grüßen.
Dezentrale Erneuerbare werden zum Standortvorteil und zum Jobmotor. Dieses Programm für neue Wertschöpfung auszubuchstabieren und konsequent durchzusetzen – auch gegen kleinkarierte Beihilfebestimmungen der EU –, traue ich einer SPD-geführten Bundesregierung mit einem Bundeskanzler Olaf Scholz zu – am besten in einem inzwischen greifbaren Bündnis mit den Grünen.
Der ruinöse Wettbewerb eines CO2-Marktes
Dies wird nur gelingen mit einem klaren Kompass: Für den Wert der Industriearbeit. Für den kräftigen Ausbau Erneuerbarer auf allen Ebenen und durch viele Akteure: von Photovoltaik auf den Dächern über Wasserkraft in allen Größenklassen und natürlich Windenergie bis hin zu großen Solarparks auf Tagebau-Seen. Je schneller wir dabei sind und je zuverlässiger die neue Bundesregierung den Aufbau neuer Wertschöpfung mit guten Arbeitsplätzen in den heute und damit auch morgen führenden Energieregionen unterstützt, desto eher gelingt der Übergang von der Kohle zu Erneuerbaren. Die Voraussetzungen dafür sind gut, weil in den Konversionslandschaften ein großes Flächenpotenzial besteht und in das Tourismuskonzept des Seenlands integriert werden kann.
Diesen Prozess darf die neue Bundesregierung nicht einem ruinösen Wettbewerb eines CO2-Marktes überlassen, in dem die Kohlebeschäftigten in ständiger Angst leben, dass ihre Kraftwerke wegen sinkender Rentabilität schon morgen vom Netz gehen. Im Gegenzug muss dann Schluss sein mit dem Gegeneinanderausspielen von Kohle gegen Erneuerbare. Es macht keinen Sinn, den jungen Trieb, der künftigen Wohlstand bringt, zu kappen, um den alten Ast zu retten, der unweigerlich abstirbt. Dazu muss kluge „Strukturwandelpolitik“ den Beschäftigten unter die Arme greifen, deren Arbeitskraft und Kompetenz wir für den Wandel zur neuen Energiewirtschaft brauchen. Und sie muss den Fokus auf Projekte für erneuerbare Energieregionen Nummer eins legen.
Zukunftsfähige Wirtschaft durch erneuerbares Wachstum
Die SPD ist für den Kohleausstieg nicht den einfachen Weg gegangen. Die Grünen haben diese Form der Auseinandersetzung für die Energiewende in weiten Teilen noch vor sich. Die Naturschutzverbände sind bei der Windenergie zwar schon manchen Kompromiss zum Artenschutz eingegangen. Dies wird allerdings nicht reichen, um den Ausbau der Erneuerbaren rechtzeitig zu beschleunigen. Gänzlich ungelöst ist die Lage bei der Union, die mit Friedrich Merz gerade erst einen Vertreter der fossil-atomaren Energiewelt in ihr sogenanntes Zukunftsteam geholt hat. Zukunft geht nicht mit Vergangenheit. Die Union wird damit zum Standortrisiko für Deutschland, wie es Olaf Scholz in diesen Tagen auf den Punkt bringt.
Die SPD kann an die Erfolgsstory für den Jobmotor und günstige Erneuerbare anknüpfen, die sie seit dem Jahr 2000 selbst geschrieben hat, und für die SPD-Ikone Hermann Scheer mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz und dem 100.000-Dächer-Solarprogramm steht. Sie hat die praktische Erfahrung und das moralische Gerüst hierfür. Im SPD-Grundsatzprogramm heißt es: „Für uns ist die Energiewende, die wir eingeleitet haben, die Schlüsselaufgabe des 21. Jahrhunderts. Unser Ziel ist ein solares Energiezeitalter.“ Und in der aktuellen Kampagne schwingt Hermann Scheers Vermächtnis unüberhörbar mit: „Die Energiewende ist für die gesamte Volkswirtschaft keine Last, sondern die größte greifbare soziale und wirtschaftliche Zukunftschance.“ Oder in den Worten von Olaf Scholz auf einem Wahlplakat: „Jetzt sichere Arbeit und Klimaschutz wählen.“
Eine SPD-geführte Bundesregierung wird sich der Schlüsselaufgabe annehmen und die Energiewende zum Erfolg für Menschen, Wirtschaft und Umwelt machen. Dafür hat sie einen Plan. Ich bin davon überzeugt, dass Olaf Scholz und die SPD bei den Menschen das größte Vertrauen einwerben werden, den Wandel in diesen bewegten Zeiten zu gestalten.
ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht mit dem Schwerpunkt auf Projekten der neuen Energiewirtschaft. Ehrenamtlich ist er als Vizepräsident der gemeinnützigen Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien EUROSOLAR e.V. aktiv.