Meinung

Warum eine Senkung der Unternehmenssteuern falsch und gefährlich wäre

Union und FDP wollen die Steuern für Unternehmen kräftig reduzieren. Solche Steuergeschenke schaden der Wirtschaft. Denn sie würden dringend nötige Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur ausbremsen. Mit diesen Investitionen hat die SPD eine Rezession verhindert.
von Carsten Schneider · 17. Januar 2020
Steuergeschenke des Staates für Unternehmen? Carsten Schneider warnt: „Vor allem die reichsten zehn Prozent würden davon profitieren.“
Steuergeschenke des Staates für Unternehmen? Carsten Schneider warnt: „Vor allem die reichsten zehn Prozent würden davon profitieren.“

Sie ist der Pawlowsche Reflex von Union und der FDP: Die Forderung, die Unternehmenssteuern zu senken. Sie wird immer dann erhoben, wenn die Wirtschaft schwächelt – stets kräftig unterstützt von der Wirtschaftslobby. Jetzt ist es wieder so weit. In einem neuen Beschlusspapier „Modernisierung der Unternehmensbesteuerung“ plädiert die CDU/CSU-Fraktion dafür, die Körperschaftssteuersatz von 15 auf 10 Prozent zu senken. Friedrich Merz meint sogar, Unternehmen müssten die Steuererklärung künftig auf einem Bierdeckel machen können („beidseitig beschrieben“).

Schiefe Vergleiche und falsche Annahmen von Union und FDP

Doch die Argumente der Befürworter sind schwach. Sie basieren auf schiefen Vergleichen und falschen Annahmen. So behauptet die Union, hierzulande würden die Firmen viel mehr Steuern zahlen als anderswo. Was richtig ist: Der nominale Steuersatz liegt in Deutschland überdurchschnittlich hoch. Dabei werden aber Äpfel mit Birnen verglichen. Relevant ist die tatsächliche Steuersumme, die so genannte implizite Steuerhöhe. Und hier liegt Deutschland im EU-Mittelfeld. Nimmt man das Steueraufkommen von Kapitalgesellschaften am Bruttoinlandsprodukt, befindet sich Deutschland sogar nur im unteren Drittel.

Außerdem haben unsere Unternehmen in den vergangenen Jahren schon enorme Gewinne erzielt. Zum Beispiel 2018. Allein in dem Jahr verdienten die DAX-Unternehmen 95 Milliarden Euro. Das war der zweithöchste Gewinn, seitdem dieser Index existiert. Nur fließen die Gewinne häufig nicht in Investitionen, sondern in Dividenden für Anteilseigner oder ins Ausland. Früher galt die goldene Regel: Die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen. Diese Formel stimmt nicht mehr. Stattdessen würden Steuersenkungen wohl dazu führen, dass unser gefährlicher Leistungsbilanzüberschuss noch zunehmen würde, mit schlimmen Folgen für die ökonomische Stabilität in Europa.

Niedrigere Körperschaftssteuer: Milliardenschwere Ausfälle

Hinzu kommt: Sie wären ein Steuergeschenk für diejenigen, die sowieso schon viel haben. Vor allem die reichsten zehn Prozent würden davon profitieren, etwa über höhere Ausschüttungen oder steigende Aktienkurse. Fehlen würde das Geld dagegen allen Bürgern. Sollte die Körperschaftsteuer tatsächlich auf 10 Prozent gesenkt werden, stünden dem Staat knapp 14 Milliarden Euro weniger zur Verfügung. Nicht einmalig, sondern jedes Jahr. Das hat der Wissenschaftliche Beirat beim Finanzministerium ausgerechnet.

Diese Mittel werden aber dringend benötigt, auch um die Wirtschaft nachhaltig zu stärken. Studien zeigen: Die Voraussetzungen für eine florierende Wirtschaft sind nicht niedrige Steuern für Unternehmen. Die Wirtschaft braucht einen starken Staat, der in Bildung, Forschung und Entwicklung investiert und eine gute öffentliche Infrastruktur bereitstellt. Und sie braucht eine kräftige Binnennachfrage. Das magere Wachstum von 0,6 Prozent im Jahr 2019 stützte sich vor allem auf den privaten Konsum. Ohne die von der SPD in der Koalition initiierten Maßnahmen zur Erhöhung der verfügbaren Einkommen – geringere Krankenkassenbeiträge, mehr Kindergeld oder höhere Freibeträge – wäre Deutschland in eine Rezession geschlittert. Ebenso wichtig: Wir haben Investitionen auf Rekordniveau beschlossen und zusätzliche Anreize für Elektromobilität und Wohnungsmodernisierung und -neubau gesetzt. Im Klartext: Die SPD hat einen Wirtschaftsabschwung verhindert. Die geplante Grundrente und die beschlossene Soli-Abschaffung sind dabei noch gar nicht eingerechnet. Investitionen und Entlastungen der Bürger – diesen Weg werden wir auch 2020 weitergehen!

Wir brauchen einen „unternehmerischen Staat“

Progressive Ökonomen wie die Mariana Mazzucato von der Universtiy of Sussex denken noch einen Schritt weiter: Sie argumentieren, dass der Staat punktuell als „unternehmerischer Staat“ auftreten sollte, um bestimmte Innovationen anzustoßen. Private Unternehmen investieren oft erst dann, wenn Gewinne absehbar sind, während der Staat mit einem längeren Atem agieren kann. In ihrem Buch „Das Kapital des Staates“ nennt Mazzucato nennt dafür viele Beispiele. Staatliche Akteure waren etwa an der Entwicklung von Internet, GPS oder Mikroprozessoren aktiv beteiligt.

Das ist die Debatte, die international gerade geführt wird! Es geht um einen starken, handlungsfähigen Staat, der über ausreichend Mittel verfügt, um die Produktivität zu erhöhen. Denn die Produktivität ist der langfristig entscheidende Faktor für materiellen Wohlstand. „Investitionen und Produktivität stehen dabei in einer Wechselbeziehung“, schreibt der Sachverständigenrat in seinem aktuellen Jahresgutachten: Auch vor diesem Hintergrund wirken die Positionen von Union und FDP wie von vorgestern.

Google, Amazon und Co. müssen endlich Steuern zahlen

Klar ist aber auch: Die Unternehmenssteuern sind nicht sakrosankt. Im Gegenteil, es gibt viel zu tun. Wir müssen die Rahmenbedingungen für Innovationen weiter verbessern; die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung war dafür ein wichtiger Schritt. Wir müssen dafür sorgen, dass international agierende Konzerne wie Google oder Amazon künftig überhaupt Steuern zahlen. Und wir müssen weiter für eine stärker internationale Harmonisierung der Unternehmenssteuern kämpfen. Denn tun wir dies nicht, droht ein Race-to-the-bottom. Ein solches Rennen schafft viele Verlierer und wenige Gewinner. Deutschland sollte damit gar nicht erst anfangen.   

Autor*in
Carsten Schneider

ist Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion.

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