Warum die Politik jetzt die Wirtschaft mit viel Geld stützen muss
Florian Gaertner/photothek.net
Der Herbst zieht auf und Corona ist zurück. Der zweite Lockdown ist verhängt, und es entstehen schon wieder Belastungen für unsere Wirtschaft. Die Bundesregierung hat mit erneuten und großzügigen Überbrückungshilfen rasch regiert. Doch damit erheben sich weitere Sorgen aus ganz anderer Richtung. Ist der mit den Hilfen schnell wachsende Schuldenberg für unsere Volkswirtschaft überhaupt noch tragbar? Große Teile der Union, der FDP und auch der AfD zweifeln daran und mahnen immer dringlicher zur Sparsamkeit. Doch diese Angst ist unbegründet. Die richtige Antwort ist nämlich klar und eindeutig. Die Wirtschaftspolitik muss derzeit die Wirtschaft mit viel Geld stützen.
Denkfehler konservativer und rechter Parteien
Es mag sich auf den ersten Blick sogar widersprüchlich anhören, aber gerade wenn man die Schulden wieder los werden und sparen will, sind höhere Ausgaben die Staates, die die Konjunktur am Laufen halten oder erst wieder in Gang bringen, unerläßlich. Sparen heißt schließlich, dass man Werte, möglichst um Zinsen vermehrt, in die Zukunft überträgt. Für den einzelnen Haushalt oder für das einzelne Unternehmen ist offenkundig, wie das geht. Man gibt sein Einkommen oder seine Einnahmen nicht vollständig aus, sondern legt einen Teilbetrag in einer mehr oder weniger rentierlichen Anlage zwecks Abruf in der Zukunft an.
Eine beliebter Denkfehler der konservativen und rechten Parteien ist nun, dass das, was für alle, private wie öffentliche Haushalte und Unternehmen gilt, auch insgesamt für eine Volkswirtschaft gilt. Sie muss Geld sparen, indem sie nicht alles ausgibt, was sie einnimmt. Sie legt das Geld vielmehr irgendwie an oder zahlt Schulden zurück. Genau dies geht so einfach nicht. Denn gesamtwirtschaftlich gesehen, können nicht alle gleich sein. Wo es Sparer gibt, da muss es nämlich auch Schuldner geben, die bereit sind, die Ersparnisse zu nehmen und sie dann mit Zinsen zurückzuzahlen. Ohne Schuldner gäbe es keine Ersparnisse, weil es keine Anlagemöglichkeiten gäbe. Es bestehen also gleichzeitig zwei gegenläufige wirtschaftliche Funktionen in einer Volkswirtschaft. Die einen sparen und die anderen verschulden sich. Deshalb kann man nicht eine Seite dieses Prozesses verallgemeinern. Gäbe es kein Ausland, würde sich Ersparnisse und Verschuldung in einer Volkswirtschaft immer ausgleichen. Eine Volkswirtschaft als Ganzes kann also gar nicht sparen, jedenfalls nicht im landläufigen Sinn.
SPD für Investitionspolitik
Aber anders. Eine Volkswirtschaft kann sehr wohl rentabel Werte in die Zukunft übertragen. Hierfür sind aber nicht die Sparer, sondern die Schuldner maßgeblich. Es kommt allerdings darauf an, wie sie das geliehene Geld verwenden. Nutzen sie es für Investitionen, dann erzeugen sie Werte für die Zukunft. Unternehmen, die sich neue Maschinen kaufen oder neue Software installieren, um damit effizienter oder mehr produzieren zu können, sind ein Beispiel. Ein zweites ist der Staat, der seine öffentliche Infrastruktur modernisiert und auf diese Weise mehr und nachhaltigere private Produktion möglich macht. Auch er erzeugt einen Mehrwert für die Zukunft. Erst auf diesem indirekten Weg über Investitionen führen Ersparnisse zum gesamtwirtschaftlichen Werterhalt oder zu Wertsteigerungen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Kredite für Investitionen und nicht für Konsum ohne Zukunftswirkung verwendet werden.
Deshalb tritt die SPD für eine gesamtwirtschaftliche Investitionspolitik ein. Sowohl die privaten als auch die öffentlichen Investitionen sollen spürbar ausgedehnt werden. Dies geschieht nicht nur, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in Zeiten der Corona Krise zu stabilisieren, sondern auch, um den künftigen Wohlstand zu mehren. Aus diesem erhöhten Wohlstand lassen sich dann, ohne dass sich einzelne im Vergleich zur Gegenwart einschränken müssen, die derzeit ohnehin geringen Kreditkosten begleichen und der Schuldenstand langsam wieder zurückführen.
Einfach nur Geld zurücklegen wie von Konservativen und Neoliberalen gefordert, ist zu simpel gedacht und schadet der Wirtschaft nur. Denn Sparen ohne Investitionen schränkt nicht nur die gerade in der Krise dringend benötigte Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen ein, es läßt auch keinen künftigen Wohlstand entstehen. Solche Vorschläge schaden Wachstum und Beschäftigung. Gesamtwirtschaftliches Sparen ist folglich untrennbar mit Investitionen verbunden. Nur wer investiert, spart und sichert damit wirtschaftlichen Wohlstand.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.