Meinung

Warum die Grundrente gerade für Ostdeutschland mehr Gerechtigkeit bedeutet

Geringverdiener in Ostdeutschland würden besonders von einer Grundrente profitieren. Sie ohne Bedürftigkeitsprüfung einzuführen, ist nicht nur eine soziale Frage. So würde auch die Lebensleistung der Ostdeutschen gewürdigt, meint Frank Junge.
von Frank Junge · 27. August 2019
Ein Alter in Würde: Die SPD fordert eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung.
Ein Alter in Würde: Die SPD fordert eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung.

750.000! So viele Frauen und Männer würden nach Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums in Ostdeutschland sofort von der Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung nach aktuellem Maßstab profitieren und ihre Lebensleistung damit gerechter und wesentlich besser anerkannt sehen. Schon seit Februar dieses Jahres ist die in großen Teilen lebhafte Debatte um dieses Thema in vollem Gange. Eigentlich sollte der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil als wichtiges Signal an die Menschen in unserem Land vom Kabinett bereits verabschiedet worden sein. Doch die Union lässt die Handbremse weiter angezogen. Nun soll also eine Arbeitsgruppe eingeschaltet werden und einen Kompromiss erarbeiten.

Drei Millionen Menschen würden von der Grundrente profitieren

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte jüngst, die Grundrente dürfe kein Wahlgeschenk für die wahlkämpfenden neuen Bundesländer sein. Das ist zynisch und einer Partei unwürdig, in deren Namen der Begriff „sozial“ vorkommt. Und die CDU, die den Soli für die reichsten zehn Prozent im Land am liebsten auch gern noch abschaffen und dem Staat damit weniger Einnahmen in Höhe von ca. elf Milliarden Euro bescheren möchte argumentiert, dass man sich das aber nun wirklich nicht leisten könne. Da kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier ein Mehr an Gerechtigkeit der Rücksicht auf die eigene Wählerklientel geopfert werden soll.

Denn tatsächlich würde nach dem derzeitigen Gesetzesentwurf rund drei Millionen Menschen im Alter geholfen werden. Darunter wären weit überwiegend Frauen. In den neuen Bundesländern hätten fünf von sechs Geringverdienerinnen Anspruch auf die sogenannte Respekt-Rente, dagegen nur ein Drittel der Frauen im Westen. Das liegt insbesondere daran, dass es in der DDR auch aufgrund der besseren Betreuungsangebote für Kinder sehr viel mehr Frauenerwerbstätigkeit gegeben hat und bis heute gibt und das bei gleichzeitig sehr viel niedrigeren Löhnen.

Eine wesentliche soziale Frage in Ostdeutschland

Würden wir dem Willen der Union folgen und vor der Gewährung die Bedürftigkeitsprüfung vornehmen, würden gerade einmal 130.000 Menschen – davon 17.000 in Ostdeutschland – die Grundrente auch erhalten. Abgesehen davon, dass jemand, der ehrlichen Respekt will, diesen nicht an solche Vorbedingungen knüpfen darf, hätte das mit dem Gedanken, Lebensleistung besser zu würdigen, nun gar nichts mehr zu tun. Denn gerade in den neuen Bundesländern geht es hierbei auch um eine wesentliche soziale Frage.

In diesen Tagen gehen jene Männer und Frauen in den wohlverdienten Ruhestand, die den Osten seit nunmehr 30 Jahren maßgeblich mit aufgebaut haben. Zudem unterscheiden sich die Erwerbsbiografien in den ostdeutschen Bundesländern vor allem aufgrund der massiven wirtschaftlichen Umbruchjahre nach der Wende erheblich von denen ihrer Kolleginnen und Kollegen in der alten Bundesrepublik. Große Teile der Bevölkerung haben in dieser Zeit unverschuldet ihre Arbeit verloren, mussten umschulen und sich beruflich mehrfach völlig neu orientieren. Viele haben sich aber auch mit gering qualifizierten und somit schlecht bezahlten Tätigkeiten durchgeschlagen.

Deshalb steht ihnen heute trotz Arbeit nur die Grundsicherung zu. Die erhalten auch jene, die kaum oder gar nicht gearbeitet haben. Das ist nicht gerecht! Die Grundrente würde ihnen den entwürdigenden Weg aufs Sozialamt ersparen. Hinzu kommt: Die Menschen sind im Osten sehr viel stärker auf die gesetzliche Rente angewiesen, weil sie mehrheitlich nicht über eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung oder private Vorsorge verfügen. Sie stehen verstärkt vor dem Risiko, trotz langer Erwerbsbiografien eine Rente zu beziehen, die nicht vor Altersarmut schützt. Deshalb ist es gut, dass die Grundrente im Koalitionsvertrag steht und deshalb ist es wichtig, dass wir darum kämpfen, sie mit unserem sozialdemokratischen Leitgedanken auf Respekt und Anerkennung von Lebensleistung zu verbinden!

Autor*in
Frank Junge
Frank Junge

ist Bundestagsabgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern und Sprecher der Landesgruppe-Ost der SPD-Bundestagsfraktion.

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