Meinung

Warum die Arbeit im Homeoffice klare Regeln braucht

Die Corona-Zeit könnte dem Homeoffice zum Durchbruch verhelfen. Damit die Arbeit zu Hause gelingt und Arbeitnehmer*innen nicht zu den Leidtragenden werden, braucht es allerdings Vertrauen und klare Regeln.
von Aline Zucco · 7. September 2020
Arbeiten und sich gleichzeitig ums Kinder kümmern – das passt nicht zusammen. Wer im Homeoffice ist, braucht klare Regeln.
Arbeiten und sich gleichzeitig ums Kinder kümmern – das passt nicht zusammen. Wer im Homeoffice ist, braucht klare Regeln.

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wurde die Rolle des Homeoffices revolutioniert: Während vor der Krise nur eine kleine Gruppe an Angestellten – meist in führenden Positionen – die Möglichkeit  hatte, von zu Hause aus zu arbeiten, war im April dieses Jahres fast jede und jeder Zweite im Homeoffice tätig. Auch nach den Lockerungen der Corona-Beschränkungen arbeiteten auch im Juni noch dreimal so viele Beschäftigte von zu Hause aus als noch zu Beginn des Jahres. Damit zeigt sich: Die Arbeit im Homeoffice wird auch längerfristig eine bedeutende Rolle spielen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen um die sozialen und psychischen Belastungen der Arbeit im Homeoffice zu reduzieren und zeitgleich eine effektive Arbeitsgestaltung zu fördern.

So erfordert Homeoffice eindeutige betriebliche Regelungen zur mobilen Arbeit, in denen die Ausstattung mit mobilen Endgeräten und der Zugang zu internen Datenbanken geregelt und der Datenschutzrichtlinien berücksichtigt werden. Dies sind Grundvoraussetzungen, um im Homeoffice störungsfrei so arbeiten zu können wie am Arbeitsplatz im Betrieb.

Das Problem der Entgrenzung von Arbeit

Zu den größten Befürchtungen und Problemen der Arbeit im Homeoffice zählt die Entgrenzung, also die fehlende (räumliche) Grenze zwischen Büro und Wohnzimmer und die fehlende (zeitliche) Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Die räumliche Nähe bietet zwar den entscheidenden Vorteil, dass keine Pendelzeiten mehr anfallen, aber genau diese Zeiten werden oftmals benötigt, um „abschalten“ zu können. Doch zeigen Studien auch, dass durch die Entgrenzung die Gefahr der ständigen Erreichbarkeit und der Selbstausbeutung wächst. Ergebnisse einer eigenen aktuellen Befragung von über 6000 Erwerbstätigen, die im Frühsommer dieses Jahres im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt wurden, differenzieren dieses Bild.

Die Befunde deuten an, dass vor allem solche Beschäftigte, die im Homeoffice mehr als ihre üblichen Arbeitsstunden für ihren Betrieb tätig waren, negative Erfahrungen mit  dem Homeoffice gemacht haben. Dies weist auf die Notwendigkeit klarer Regelungen hin – insbesondere dort wo erst seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Homeoffice gearbeitet wird. Nötig sind verbindliche betriebliche Regulierungen zur Arbeitszeit und zur Erreichbarkeit, so dass die Erwartungshaltung zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten transparent und klar definiert ist. Zudem können klare Zielvereinbarungen helfen, Arbeitszeiten – auch im Homeoffice – einzuhalten. Diese Kriterien sollten unabhängig vom Arbeitsort definiert werden und helfen dabei Vorurteile gegenüber der Arbeit im Homeoffice abzubauen.

Für Frauen bedeutet das Homeoffice besonderen Stress

Besonders betroffen von diesen Vorurteilen sind Frauen mit kleinen Kindern, denn für sie kann das Aufheben der räumlichen Trennung einerseits bedeuten, dass ihnen unterstellt wird, im Homeoffice aufgrund der Betreuungssituation weniger zu arbeiten. Andererseits kann genau diese Annahme dazu führen, dass der Druck mehr zu arbeiten insbesondere für Mütter steigt und somit die scheinbare Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu spürbar mehr Stress führt. Diese Vereinbarkeitsproblematik verstärkte sich während der Corona-Beschränkungen drastisch: Das Schließen von Schulen und Kitas implizierte für Eltern, dass neben der Erwerbsarbeit auch die Kinderbetreuung von zu Hause aus erledigt werden musste. Allerdings zeigen aktuelle Ergebnisse, dass diese Doppelbelastung Frauen stärker trifft als Männer – und zwar insbesondere in den Haushalten, in denen die Kinderbetreuung vormals gleichberechtigt aufgeteilt wurde.

Das verdeutlicht zunächst, dass geschlossene Kitas und Schulen Frauen deutlich stärker treffen als Männer, da sich durch das Ausbleiben der institutionellen Kinderbetreuung traditionelle innerpartnerschaftliche Wertevorstellungen offenbaren. Im Hinblick auf eine effektive und zufriedenstellende Arbeit im Homeoffice verweist dieser Befund darauf, dass Homeoffice selbstverständlich nur gelingen kann, wenn nicht zeitgleich Kinder betreut oder Angehörige  gepflegt werden müssen. Daher müssen die Rahmenbedingungen für das Homeoffice so geschaffen werden, dass eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf funktionieren kann: Durch eine selbstbestimmte Arbeitseinteilung und durch institutionell geregelte Vertretungslösungen. Zugleich darf der Ausbau des Homeoffice auf staatlicher Seite nicht dazu führen, dass die institutionelle Kinderbetreuung  zurückgefahren wird. Denn Homeoffice sollte eine Maßnahme sein um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, nicht um die institutionellen Betreuungslücken zu füllen.

Homeoffice und Büro-Präsenz kombinieren

Insgesamt gilt beim Thema Homeoffice wie bei den meisten Veränderungen im Leben: Es braucht seine Zeit. Denn die erste Zeit im Homeoffice wird von vielen Arbeitnehmer*innen als anstrengend wahrgenommen, weil die neue Arbeitssituation nicht nur einen neuen Arbeitsort, sondern auch eine neue Arbeitsorganisation mit sich bringt. Zudem bedeutet die Arbeit im Homeoffice auch, dass wenig oder keine direkte persönliche Kommunikation mehr zwischen den Kollegen*innen stattfindet, sondern zunächst nur noch virtuell oder per E-Mail kommuniziert wird – und dies kann  zu Konflikten führen. Die Forschung der letzten Jahre aber hat zwei wichtige Erkenntnisse zu Tage geführt: Erstens lernen Beschäftigte erst mit der Zeit, wie sie die Arbeit im Homeoffice für sich optimal gestalten. Zweitens empfinden beide, Beschäftigte und Arbeitgeber, Homeoffice als besonders positiv, wenn es mit Präsenztagen im Büro kombiniert wird.

Bei all der Diskussion sollte dennoch nicht vergessen werden, dass es für die Arbeit im Homeoffice einen Vertrauensvorschuss seitens der Arbeitgeber braucht. Aber nicht nur Arbeitgeber, auch Arbeitnehmer*innen konnten es in den vergangeenen Wochen und Monaten sehen: Homeoffice kann funktionieren, man muss es nur wollen!

Die Ergebnisse der Befragung insbesondere im Hinblick auf Homeoffice werden in den kommenden Wochen als Studie der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlicht.

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Aline Zucco

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Referat „Genderforschung“ am WSI der Hans-Böckler-Stiftung.

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