Meinung

Warum Deutschland mehr in Armutsbekämpfung investieren sollte

Die Entwicklungsorganisation ONE spricht sich für Globale Gerechtigkeit in der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik aus und fordert daher mehr Investitionen in diesen Bereichen. Auch um eine weitere Abkehr Afrikas vom Westen zu verhindern.
von · 4. November 2022
Die NGO ONE fordert mehr Ausgaben zur Hunger- und Armutsbekämpfung.
Die NGO ONE fordert mehr Ausgaben zur Hunger- und Armutsbekämpfung.

Ein Krieg – mitten in Europa. Schmerzhaft müssen wir gerade alte Gewissheiten über Bord werfen. Wie auch immer die Welt nach dem Ende von Putins Krieg aussehen wird – sie wird eine andere sein als vor dem Angriff auf die Ukraine. So viel ist klar.

Als sich viele afrikanische Staaten Anfang des Jahres bei der UN-Abstimmung zur Verurteilung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine enthielten, war in Europa die Empörung groß. Auch bei der UN-Generalversammlung im September war die Zurückhaltung vieler Staaten aus dem Globalen Süden weiterhin spürbar. Wie konnte man sich angesichts der zerstörerischen Aggression aus Moskau nicht solidarisch zeigen mit der Ukraine? Die Antworten hierauf sind vielschichtig. Sicherlich spielt auch mangelndes Vertrauen in den Westen als verlässlicher Partner eine Rolle, während russische und auch chinesische Unterstützung und Investitionen für viele Regierungen Afrikas von großer Wichtigkeit sind.

Afrika nicht im Stich lassen

Aus europäischer Sicht könnte man nun mit den afrikanischen Staaten darüber streiten oder sich beleidigt abwenden. Das wäre allerdings ein großer Fehler. Der Westen muss sich nun vielmehr fragen, wo er in der Vergangenheit Fehler gemacht hat und was er ändern muss, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und eine echte Partnerschaft mit Afrika aufzubauen. Die Antworten auf diese Fragen werden für Europas Zukunft zentral sein. Unmittelbar muss es nun darum gehen, afrikanische Staaten dabei zu unterstützen, die Folgen des Krieges abzumildern. Zu diesen Folgen gehört die dramatische Verschärfung einer der schlimmsten Nahrungskrisen seit vier Jahrzehnten durch explodierende Energie- und Lebensmittelpreise. Aktuell droht 22 Ländern in Afrika der Staatsbankrott. Rasant steigende Inflationsraten drohen die Wirtschaft auch von bisher stabilen afrikanischen Staaten zu destabilisieren, die noch immer dabei sind, sich von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu erholen.

Afrika droht sich weiter vom Westen abzuwenden – auch, weil es immer wieder im Stich gelassen wird, wenn es darauf ankommt. Dort wird schon länger registriert, dass wir in Europa gerne nach Partnerschaft rufen, wenn es um unsere eigenen Interessen geht. Das war und ist bei Migrationsfragen der Fall oder aktuell bei der Suche nach Alternativen zum russischen Gas. Partnerschaft, vor allem eine auf Augenhöhe, funktioniert aber nur, wenn beide Parteien in sie investieren und einander helfen. Für uns in Deutschland heißt das: Wir dürfen die Augen nicht vor den gegenwärtigen Problemen verschließen.

800 Millionen Menschen von Hunger betroffen

Bereits seit 2017 – also weit vor dem Ukraine-Krieg und der Corona-Pandemie – steigt die Zahl der Menschen, die akut an Hunger leiden. Putin hat hier nur eine bereits bestehende Krise verschlimmert. Einer von zehn Menschen auf der Welt ist derzeit von Hunger betroffen. Alleine in Afrika sind 346 Millionen Menschen unterernährt. Hilfsorganisationen schlagen Alarm. Verschärft wird diese Entwicklung durch bewaffnete Konflikte wie derzeit in Äthiopien, Somalia oder Sudan. Ferner trifft die Klimakrise Afrika mit voller Wucht. Die zehn weltweit am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder befinden sich in Afrika – dabei hat der Kontinent selbst am wenigsten dazu beigetragen. Und diese Folgen machen sich derzeit sichtbar in Form von Überschwemmungen wie in Nigeria oder lange Dürren und Hitzewellen wie in Ostafrika. Dadurch spitzt sich die Ernährungssituation in Afrika noch weiter zu. Eine derartige Hungernotlage gab es zuletzt in den 1980ern.

Bundeskanzler Willy Brandt hatte vor 50 Jahren schon angemahnt, wer den Krieg ächten wolle, müsse auch den Hunger ächten. Wie kein Zweiter zu seiner Zeit machte er Globale Gerechtigkeit zu einem Leitmotiv seiner Politik. Friedenspolitik und die Bekämpfung von Armut und Hunger waren bei ihm immer eng verwoben. 

Mehr zur Armutsbekämpfung investieren

Was die Bundesregierung jedoch aktuell plant, sind massive Rüstungsinvestitionen, während gleichzeitig bei der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe stark gekürzt wird. Es klaffen große finanzielle Lücken bei der Hungerbekämpfung, der Krisenprävention oder dem Klimaschutz. Wenn wir Globale Gerechtigkeit nicht nur predigen, sondern auch umsetzen wollen, müssen wir in der Lage sein, die richtigen Investitionen zu tätigen. Dazu gehört auch, dass wir endlich eine Strategie entwickeln, wie wir eine echte Partnerschaft mit den Staaten Afrikas aufbauen. Anfangen muss dies mit den nötigen Mehrinvestitionen für die Armuts- und Hungerbekämpfung.

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