Meinung

Von Neid und Gerechtigkeit: Wer bezahlt die Corona-Pandemie?

Friedrich Merz nennt sie eine „Neidsteuer“. Dabei spricht nichts dagegen, die Steuern auf höhere Einkommen und Vermögen zu erhöhen, um die Kosten der Corona-Krise zu stemmen. Das würde auch die Ungleichheit in Deutschland verringern.
von Gustav Horn · 31. Januar 2021
Wer zahlt die Corona-Kosten? Nichts spricht dagegen, die Steuern auf höhere Einkommen und Vermögen zu erhöhen, meint Wirtschaftswissenschaftler Gustav Horn.
Wer zahlt die Corona-Kosten? Nichts spricht dagegen, die Steuern auf höhere Einkommen und Vermögen zu erhöhen, meint Wirtschaftswissenschaftler Gustav Horn.

Es war zu erwarten. Nachdem es unumgänglich  war, dass die Bekämpfung der Corona-Pandemie mit starken wirtschaftlichen Beschränkungen einhergehen würde, die vom Staat mit hohem finanziellen Aufwand wirtschaftlich aufzufangen waren, würde irgendwann die Debatte kommen, wer dies denn alles zu bezahlen hätte. Es war auch zu erwarten, dass sich ausgerechnet viele von jenen davor zu drücken versuchen, denen es finanziell besonders gut geht. Es geht um die Bezieher hoher Einkommen und die Besitzer großer Vermögen.

Es geht um Gerechtigkeit

Zu deren Sprachrohr macht sich Friedrich Merz. Seine Methode entspricht ebenfalls den Erwartungen. Vorschläge nicht zuletzt aus der SPD, den Spitzensteuersatz zu erhöhen und die Vermögenssteuer wiederzubeleben, werden als Neidsteuern diskreditiert. Für die SPD ist dies aber eine Frage der Gerechtigkeit. Das Neidargument, wusste schon Aristoteles, ist immer mit dem Blick auf persönliche Vor- bzw. Nachteile verbunden. Das scheint die Welt von Friederich Merz und die seiner Partei übergreifenden Anhängerschaft zu sein. Sie beurteilen Steuern immer aus dem Blickwinkel ihrer persönlichen Situation, die sie gerne als oberer Mittelstand definieren. Darum geht es aber nicht.

Es geht um Gerechtigkeit. Ob ein Vorschlag gerecht ist, sollte danach beurteilt werden, ob und inwieweit er das allgemeine Wohl stärkt. Auch das wusste schon Aristoteles. Die persönliche finanzielle Situation sollte in dieser Debatte gerade keine Rolle spielen. Das ist auch der Kern des Experiments, das der Philosoph John Rawls in dieser Debatte eingefordert hat. Jede*r sollte sich am besten in Unkenntnis seiner eigenen Postion in der Einkommens- und Vermögensverteilung fragen, welche Verteilung er oder sie für gerecht hält. Darum geht es.

Die Ungleichheit hat sich verfestigt

Was also ist eine gerechte Finanzpolitik in der gegenwärtigen Lage?  Auf welchen Kurs sollen also die öffentlichen Haushalte gebracht werden, sobald die Krise überwunden ist? Sind die Anforderungen der Schuldenbremse gerecht? Das sind die Fragen, die uns beschäftigen sollten. Wie die aktuelle Intervention des Kanzleramtsministers zeigt, beschäftigt man sich selbst in der CDU damit.

Ein wesentliches Merkmal der jüngeren Wirtschaftsgeschichte nicht nur in Deutschland ist, dass sich ein hohes Maß an Ungleichheit an Einkommen und vor allem an Vermögen in den vergangenen Jahrzehnten verfestigt hat. Dies hat nicht nur die wirtschaftliche Teilhabe vieler beeinträchtigt, sondern auch ein Machtgefälle zu Gunsten Wohlhabender im öffentlichen politischen Diskurs entstehen lassen, das eine Korrektur dieser Ungleichheit erheblich erschwert.

Eine gerechte Verteilung der Schuldenlast

Was wäre denn nun gerecht mit Blick auf die Corona-Schulden? Sollen die Steuern erhöht werden und wenn ja, für wen? Sollen die Ausgaben gesenkt werden, und wenn ja, welche? Oder sollen die Schulden vielleicht überhaupt nicht zurückgezahlt werden?

Es gibt mit Sicherheit keine eindeutige Antwort, da an dieser Stelle auch subjektive Werturteile einfließen. Gerechtigkeit ist und muss immer Gegenstand eines Diskurse sein und immer wieder neu verhandelt werden. Wenn man aber akzeptiert, dass die Ungleichheit zu hoch ist und die Schulden aufgrund der niedrigen Zinsen nur eine geringe Belastung des Haushalts darstellen, öffnet sich ein Weg zu einer gerechten Verteilung der Schuldenlasten.

Weder sollten dann Ausgaben gekürzt werden, die dem sozialen Ausgleich dienen, noch Steuern auf geringe und mittlere Einkommen erhöht werden. Nichts spricht aber dagegen, die Steuern auf höhere Einkommen und Vermögen zu erhöhen. Das vermindert die Ungleichheit. Dennoch wird damit nicht das Gros der Schulden abgebaut werden können. Hier hilft genau die Strategie, die Olaf Scholz vorgeschlagen hat: der langsame Abbau mit niedrigen Zinsen und einer stabilen Konjunktur im Rücken. Dann bleibt der Schuldendienst gering und die Steuereinnahmen fließen kräftig. Von ihnen muss man einen im Laufe der Zeit immer weniger spürbaren Teil zum Schuldenabbau einsetzen.

Eine Finanzpolitik der ruhigen Hand

Gefordert ist also eine Finanzpolitik der ruhigen Hand, die dafür sorgt dass die Konjunktur  gut läuft und die Ausgaben solide verwendet werden. Gefährlich wäre hingegen die in weiten Teilen der CDU verbreitete Ansicht nach dem Ende der Krise auf einen rigiden Sparkurs einzuschwenken. Das würde nicht nur die Konjunktur und damit die zum Schuldenabbau notwendigen Steuereinnahmen gefährden. Es wäre auch zutiefst ungerecht und allein einer verfehlten  Neiddebatte geschuldet.

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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