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Meinung

Uploadfilter würden das Internet wie wir es kennen drastisch verändern

Am Samstag werden deutschlandweit zehntausende Menschen gegen die von der EU geplanten Uploadfilter demonstrieren. Einer von ihnen ist der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken. Hier erklärt er, wie Uploadfilter das Internet verändern würden und warum Protest wichtig ist.
von Tiemo Wölken · 22. March 2019

Zu den Inhalten der EU-Urheberrechtsreform ist an vielen Stellen viel gesagt und geschrieben wurden. Jeder einzelne Paragraf der Novelle ist inhaltlich umstritten. Artikel 3 (Seit dem 21. März gibt es eine konsolidierte Fassung der Richtlinie. Die Nummerierung der Artikel hat sich dadurch geändert. Im Fließtext wird die bisher bekannte Nummerierung verwendet. Raider heißt jetzt Twix. Ansonsten ändert sich nix.) regelt Vorgaben für das so genannte Text-and-Data-Mining (TDM), also das maschinelle Auslesen von großen Textmengen. TDM ist für das Trainieren von Algorithmen Grundvoraussetzung und ist daher für Künstliche Intelligenz (KI) unabdingbar.

Das Presseverlegerleistungsschutzrecht ist gescheitert

Lange wurde darum gerungen, die Novelle nicht zum Totengräber der KI-Entwicklung in Europa werden zu lassen. Artikel 12 (jetzt Artikel 16) regelt die Verlegerbeteiligung an Ausschüttungen durch Verwertungsgesellschaften neu, nachdem diese in Deutschland für rechtswidrig erklärt wurde. Die Artikel 14 – 16a (Jetzt Artikel 18 – 23) schaffen neue Rahmenbedingungen für die nationalen Regeln für das Urhebervertragsrecht. Am heftigsten diskutiert werden aber Artikel 11 (jetzt Artikel 15), der das sogenannte Presseverlegerleistungsschutzrecht, kurz LSR, regelt und Artikel 13 (jetzt Artikel 17), der Uploadfilter-Artikel.

Das LSR gibt es bereits in einer weniger umfänglichen Variante in Deutschland und in Spanien. In beiden Ländern ist es gescheitert. Das Ziel, dass große News-Aggregatoren, wie Google News, für kurze Textvorschauen von Zeitungsartikeln Lizenzen von den Presseverlagen erwerben, ist nicht erreicht wurden. Die großen Anbieter, wie Google, bekommen die Lizenzen umsonst, kleine Konkurrenz wird vernichtet.

Die Kreativen profitieren nicht automatisch

Artikel 13, der auf das Lobbying der Musikindustrie zurückgeht, soll Plattformen zwingen Lizenzen von den Rechteinhabern zu erwerben. Aufgrund dieser Lizenzerwerbspflicht erwarten die Rechtinhaber, dass sie ihre Lizenzen zu einem besseren Preis verkaufen können. Ob Plattformen im erhofften Maße Lizenzen erwerben werden, ist hingegen fraglich.

Nun mag man denken – und dieser Eindruck wird von den Befürwortern stetig gepflegt – damit nimmt man großen amerikanischen Plattformen ein wenig weg und gibt es direkt den ausführenden Künstlern, den „Kreativen“. Aber zunächst profitieren die großen Rechteinhaber. Wer etwas von diesen Zusatzeinnahmen abbekommt bleibt Verhandlungssache zwischen dem Künstler und seiner Plattenfirma.

Um eins deutlich zu sagen: Eine aktive Plattform, die mit Inhalten Geld verdient, die von Nutzerinnen und Nutzern hochgeladen werden, sollte eine Pflicht zur Lizenzierung haben. Ein sinnvolles Modell wäre der Weg über eine Urheberrechtsschranke mit einer angemessenen und fairen Vergütung. Diesen Weg geht Artikel 13 aber gerade nicht. Meine Anträge für eine vergütete Urheberrechtsschranke wurden seitens der Konservativen abgelehnt – jetzt schlägt die deutsche CDU bei der Umsetzung der Richtlinie ein solches Modell vor, welches aber ohne Ausnahme im EU-Recht rechtswidrig wäre. Eine durchschaubare Taktik der CDU, im Europawahlkampf junge Wählerinnen und Wähler nicht völlig zu vergraulen.

Uploadfilter stärken große Anbieter

Artikel 13 geht aber noch einen – entscheidenden – Schritt weiter. Er verpflichtet Plattformen, große wie kleine (soweit sie nicht unter die sehr enge Ausnahmeregelung fallen), jeden Inhalt zu filtern und gegebenenfalls zu blockieren. Schlägt ein „Uploadfilter“ an, kann das Material nicht mehr auf die Plattform hochgeladen werden. Uploadfilter, die das leisten sollen, was die Richtlinie verlangt, gibt es aber noch nicht, machen ständig Fehler und werden große Anbieter stärken. Die Reglung stößt daher auch auf breite zivilgesellschaftliche Ablehnung. Prominente Kritiker sind der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit David Kaye und der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber.

Protest regt sich insbesondere, aber nicht nur, bei jungen Europäerinnen und Europäern, die erkennen, dass diese Reform, das Internet wie sie es kennen drastisch verändern würde. Der Umgang mit diesen jungen Kritikern ist von absurder Verachtung geprägt. Sie werden wahlweise als Mob (Europäische Kommission) oder als ferngesteuerte Bots bezeichnet und nicht ernst genommen.

Gerade den Jüngsten, die das erste Mal Werkzeuge unserer Demokratie nutzen, indem sie Resolutionen unterzeichnen, demonstrieren gehen und ihre Abgeordnete anrufen, schleudert der Politikbetrieb eine Verachtung entgegen, die mich schaudern lässt. Das ist nicht nur so kurz vor den Europawahlen ein großes Problem. Ich will, dass alle im Prozess ernst genommen werden und werde daher am 23. März in Berlin gegen Uploadfilter demonstrieren.

Autor*in
Tiemo Wölken
Tiemo Wölken

ist Koordinator für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament.

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