TV-Duell in NRW: Warum Kutschaty der bessere Ministerpräsident ist
Die Menschen stehen für Thomas Kutschaty im Mittelpunkt. Das wird beim TV-Duell zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am Donnerstagabend schon gleich zu Beginn deutlich, als es um den vereitelten rechtsextremistischen Anschlag an diesem Tag in Essen geht. Ein 16-Jähriger plante offenbar Bombenanschläge auf zwei Schulen. Der SPD-Spitzenkandidat spricht von einem erschütternden Ereignis. Er selbst wohnt in eben jenem Essener Stadtteil Borbeck. Einer seiner Söhne hat auf einer der beiden Schulen vor wenigen Jahren seinen Abschluss gemacht. „Wir müssen noch mehr tun, um Rechtsextremismus zu bekämpfen. Das ist eine der größten Bedrohungen für unsere Demokratie", macht Kutschaty daher deutlich.
Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt stellen
Einem aufmerksamen Mitschüler des Rechtsextremisten war es offenbar zu verdanken, dass die Tat vereitelt werden konnte. Kutschaty verspricht, Kindern und Jugendlichen generell mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Er will sie in den Mittelpunkt aller zukünftigen Entscheidungen stellen. „Sie mussten so viel in Kauf nehmen und einstecken in den letzten Jahren“, begründet er das. Egal, ob es um Bildung, bezahlbaren Wohnraum, den Kampf gegen den Klimawandel oder eine vernünftige Gesundheitsversorgung geht.
Das fängt bei der SPD und Kutschaty früh an, nämlich mit einer kostenfreien Kinderbetreuung. „Wir wissen doch alle, dass die Kita heute kein Ort ist, wo Eltern ihre Kinder nur zum Spielen hinschicken. Ich mag auch keinen Flickenteppich mehr sehen. Bildung muss in Nordrhein-Westfalen gebührenfrei sein“, sagt der Sozialdemokrat ohne große Umschweife, während CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst, der bisweilen etwas hölzern wirkt, von der schwierigen Suche nach einem Kitaplatz berichtet. Das wirkt wenig glaubwürdig. Zwar gibt es tatsächlich viele Eltern in Nordrhein-Westfalen, die lange nach einem Betreuungsplatz für ihre Kinder suchen müssen, die sind in der Regel aber auch nicht von Beruf Ministerpräsident. Da hilft es mehr, für gleiche Startbedingungen zu sorgen und die Kitagebühren überall abzuschaffen, egal ob Stadt oder Land, finanzstarke oder -schwache Kommune.
Unterricht statt Statistiken über Unterrichtsausfall
Wüst rühmt sich derweil, Statistiken über den Unterrichtsausfall an Schulen in Nordrhein-Westfalen eingeführt zu haben. Kutschaty wirft ein: „Ich hätte lieber, wir würden die Kräfte in den Unterricht stecken als Statistiken führen. Wir wissen alle, dass Unterricht ausfällt. Das sind statistische Zahlen, aber wir brauchen jede Kraft, um Unterricht zu geben.“ 8.000 Stellen seien an Schulen im bevölkerungsreichsten Bundesland der Republik unbesetzt, rechnet er vor. Da brauche es mittelfristig mehr ausgebildete Lehrer*innen, aber kurzfristig auch kreative Lösungen wie Diplom-Biolog*innen, die Biologie unterrichten. Soweit so logisch.
Wenig logisch erscheint es Kutschaty, dass die CDU-geführte Landesregierung 400 Millionen Euro aus Landesmitteln für Zuschüsse zum Erwerb eines Eigenheims ausgibt. Das helfe beispielsweise einer allein erziehenden Mutter in Köln wenig. Stattdessen verspricht er, für 100.000 neue Wohnungen pro Jahr sorgen zu wollen, davon ein Viertel sozial gefördert. Sicherstellen soll das unter anderem auch eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft. Die gab es in NRW schon einmal. Ehe die schwarz-gelbe Landesregierung sie im Jahr 2008 verscherbelt hat.
Kutschaty: „Das ist doch brandgefährlich!“
Apropos Privatisierung! Da fällt auf, dass sich der CDU-Ministerpräsident noch in der Vorwoche in der Wahlarena des WDR gegen Krankenhäuser in öffentlicher Hand ausgesprochen hatte. Nun verteidigt er eine Formulierung aus dem CDU-Wahlprogramm, wonach die Gesundheitsversorgung nicht dem Markt überlassen werden solle. Auf Thomas Kutschaty wirkt das nicht überzeugend: „Oh, da wundert mich aber einiges, was gerade gemacht wird.“ Der SPD-Spitzenkandidat verweist auf die momentan laufende Debatte im Bundesland: „Erklären Sie doch mal bitte Ihren Krankenhausentwicklungsplan! Der ist doch brandgefährlich für die flächendeckende Versorgung! Das führt zu keiner Versorgungssicherheit in Nordrhein-Westfalen.“
Die SPD setzt dagegen auf eine Gesundheitsversorgung, die so nah bei den Menschen ist, dass „ein guter Freund mit Blumenstrauß“ mal eben zu Besuch kommen könne, wie es im Wahlprogramm heißt. Auch die Situation in der Pflege will Kutschaty verbessern. Viele Menschen seien aus dem Bereich regelrecht geflohen, berichtet er. „Deswegen müssen wir jetzt einen Cut machen.“ Es gehe nicht nur um eine bessere Bezahlung, sondern auch um die Arbeitsbelastung. Mit einem Pflegefonds will er für Entlastung sorgen und ein „Comeback-Programm“ für Pfleger*innen schaffen.
Arbeitsplätze in der Zukunftsindustrie sichern
Ein Comeback soll unter Ministerpräsident Kutschaty auch der Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen gelingen, notfalls mit Staatsbeteiligung, um die Herausforderungen der Transformation zu bewältigen. „Ich würde es nicht machen, wenn ich nicht davon überzeugt bin, dass es eine Zukunftsindustrie ist, dass wir es brauchen und wir auch wieder Gewinn damit machen können. Das ist beim Stahl der Fall“, sagt er. Als Ministerpräsident will er Arbeitsplätze im Bundesland halten und Investitionen nach Nordrhein-Westfalen zurückholen.
Die Entscheidung darüber, ob er in die Düsseldorfer Staatskanzlei einziehen darf, fällen die Wähler*innen am 15. Mai. Dass er der bessere Ministerpräsident ist, hat Kutschaty am Donnerstagabend schon einmal unter Beweis gestellt. In einem fairen und von beiden Kontrahenten respektvoll geführten TV-Duell.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo