Meinung

Thüringen: Unklare Haltung der CDU ist eine Gefahr für die Demokratie

In Thüringen denkt die CDU über eine Zusammenarbeit mit einer linken Minderheitsregierung nach, die Bundesvorsitzende Kramp-Karrenbauer verweist auf einen Parteibeschluss, der genau das ablehnt. Damit vertritt sie eine Parteilinie, die zu einer echten Gefahr für die Demokratie werden kann.
von Benedikt Dittrich · 16. Januar 2020
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Es ist rund 13 Monate her, dass die CDU folgenden Beschluss auf ihrem Bundesparteitag fasste: „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“ Das ist der Satz, auf den sich die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer beruft, wenn sie den Thüringer Christdemokrat*innen eine Koalition zwischen Konservativen und Linkspartei untersagt und betont: „Der Parteitagsbeschluss gilt.“ Das kann sie natürlich einfordern und sie hat damit nicht einmal unrecht. Es gibt diesen Beschluss und er ist eindeutig formuliert. Die Wirkung ist allerdings verheerend.

Denn der Beschluss beinhaltet schon in seiner Formulierung einen fatalen Vergleich. Mehr noch: Indem Linkspartei und AfD in einem Atemzug genannt werden, stützt die CDU sogar eine gefährliche Relativierung: Linksparte und AfD – zwei Extreme, zwei Seiten einer Medaille. Das ist die Erzählung, die zwischen den Zeilen steckt.

Unsäglicher Vergleich von Linkspartei und AfD

Auf der einen Seite eine Partei, deren Spitzen von „Umvolkung“ sprechen, die bei rechtsradikalen Demonstrationen mitlaufen, Menschen mit Migrationshintergrund „entsorgen“ wollen, die die Meinungsfreiheit in Deutschland anzweifeln, von linksgrünversiffter Presse sprechen und jede noch so kleine Meldung zum Anlass nehmen, um vor „Messermännern“ und vielem mehr zu warnen. Die Äußerungen gehen so weit, dass der Verfassungsschutz den Flügel der AfD beobachtet, eine große Gruppierung innerhalb der Partei, deren Vertreter*innen besonders radikal auftreten und die an Einfluss gewinnt.

Auf der anderen Seite wurden und werden zwar auch immer wieder einzelne Strömungen oder einzelne Politiker*innen der Linkspartei von den Verfassungsschützer*innen unter die Lupe genommen. Dazu zählte bis 2014 der jetzige thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow. Aber es gibt derzeit keinen prominente Persönlichkeit in der Linkspartei, die die Ordnung der Bundesrepublik anzweifelt, gegen bestimmte Gruppen hetzt oder eine vergleichbar radikale Rhetorik nutzt. Bei den rechtsextremen Kräften des AfD-Flügels, dem der Thüringer Spitzenkandidat Björn Höcke angehört, gibt es dafür zuhauf Beispiele.

Ohnehin ist die Denkweise, die dieser Gleichmacherei zugrunde liegt, falsch. Die Behauptung, dass Links- und Rechtsextrem sich ähneln, womöglich auf einer Stufe stehen, ist ein gefährlicher Irrtum. Selbst die Hufeisentheorie, mit der in diesem Zusammenhang gerne argumentiert wird, behauptet das nicht. Während linke Strömungen die Gleichheit der Menschen als Grundlage haben und eine Politik einfordern, die sich daran orientiert, negieren rechte Strömungen genau diese Gleichheit. Ein fundamentaler Unterschied, der zu völlig unterschiedlichen Voraussetzungen und im Extrem zu völlig unterschiedlichen Motivationen führt, warum ein politisches System in Frage gestellt wird oder wie sich Widerstand äußert.

Es geht um konkrete politische Realität

Aber zurück zur politischen Realität in Thüringen: Das Ergebnis der Landtagswahl aus dem Oktober 2019 macht eine Regierungsbildung schwierig. Die Linke ist stärkste Kraft mit 29 Sitzen, gefolgt von AfD (22) und CDU (21). Während die SPD-Fraktion auf acht Sitze geschrumpft ist, haben Grüne (5) und FDP (5) den Einzug ins Parlament gerade so geschafft. Eine Mehrheitsregierung ist, sofern die Partei am rechten Rand außen vor bleiben soll, also nur mit einer Koalition zwischen Linkspartei und CDU oder einer Vier-Parteien-Koalition aus Linkspartei, SPD, Grünen und FDP möglich. Die Alternative ist der Plan, den derzeit SPD, Linke und Grüne auf den Weg gebracht haben: Eine Minderheitsregierung, die von den Stimmen der Liberalen oder den Christdemokraten in der Opposition abhängig ist.

Es geht also um reale Machtpolitik und nicht um politiktheoretische Gedankenspiele. Es geht um die Frage, wie die Parteien in Deutschland, die sich auf dem Boden der Verfassung bewegen, eine Partei am rechten Rand im Zaum halten. Wer AfD und Linkspartei gleichermaßen als Regierungspartner ausschließt, erschwert diese Bemühungen. Wenn nun auch noch jede denkbare Zusammenarbeit ausgeschlossen wird – und so klingt es derzeit an der Bundesspitze der CDU – konterkariert sie sogar. Denn wenn das Denkbare ausgeschlossen wird, bleibt irgendwann nur noch das Undenkbare übrig: eine Zusammenarbeit mit den Rechten.

Vereint im Kampf gegen Rechts

Es gibt eine Minderheit in der CDU, die bereits eine Aufhebung des Koalitionsverbots mit der AfD fordert. 2021 wird unter anderem in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gewählt, die Frage könnte also womöglich bald wieder gestellt werden: Was ist schlimmer, eine Kooperation mit der Linkspartei oder mit der AfD? Für die SPD ist die Antwort auf diese Frage, trotz aller persönlichen und inhaltlichen Differenzen, wesentlich klarer. Im Kampf gegen Rechts stehen die Parteien auf derselben Seite.

Aber wäre eine Koalition mit der Linkspartei für die CDU wirklich genauso schlimm wie eine mit der AfD? In Thüringen ist die Linkspartei schon in Regierungsverantwortung und hat dort weder einen antifaschistischen Schutzwall gebaut noch den Kommunismus wiederbelebt. In dem ostdeutschen Bundesland wird vielmehr von einer grundsätzlich sozialdemokratischen, pragmatischen Politik gesprochen und nicht von den Anfängen einer linksextremen Revolte.

Insofern sollte sich Annegret Kramp-Karrenbauer und auch die CDU insgesamt die Frage stellen, ob der Parteitagsbeschluss wirklich noch gilt oder ob es vielleicht doch einen Unterschied zwischen AfD und Linkspartei gibt, wenigstens in Thüringen. Dass ein AfD-Landesvorsitzender, der sich der Rhetorik von Adolf Hitler und Joseph Göbbels bedient, Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert und Umsturz-Fantasien äußert, sich plötzlich zum vorbildlichen Demokraten und Verteidiger der Verfassung wandelt, darf jedenfalls ernsthaft bezweifelt werden.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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