Meinung

Thomas Kemmerich – ein Büttel der Rechtsradikalen

Die Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen mit den Stimmen der AfD ist ein politischer Tabubruch. Er macht sich damit zum Büttel der Rechtsradikalen, kommentiert vorwärts-Chefredakteurin Karin Nink.
von Karin Nink · 5. Februar 2020
FDP-Mann Thomas Kemmerich ist neuer Ministerpräsident von Thüringen.
FDP-Mann Thomas Kemmerich ist neuer Ministerpräsident von Thüringen.

In Thüringen lässt sich der FDP-Mann Thomas Kemmerich, dessen Partei gerade mal mit fünf Prozent in den Landtag kam, mit den Stimmen der rechtsradikalen AfD zum Ministerpräsidenten wählen. Ein Mitglied der einstigen Bürgerrechtspartei von Hans-Dietrich Genscher, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Gerhart Baum und Burkhard Hirsch macht sich zum Büttel der Rechtsradikalen und lässt sich von ihnen auf den Thron heben. Und die thüringische Union spielt mit – was für ein abgekartetes Spiel. Das scheinheilige Angebot, das Kemmerich SPD und Grünen nach dem ersten Aufschrei des Entsetzens gemacht hat, ändert daran nichts.

Tabubruch, der das politische Klima verändert

Damit haben die konservativ-bürgerliche Union und die sogenannte liberal-bürgerliche FDP in diesem Land einen Tabubruch vollzogen, der das politische Klima spürbar verändern wird und die politische Arithmetik in Deutschland deutlich zu verschieben droht. Verantwortlich, um es noch einmal deutlich zu sagen, sind FDP und CDU. Und zwar nicht nur in Thüringen sondern auch im Bund, wenn dieser unerträgliche Kurswechsel nicht doch noch korrigiert wird und Kemmerich als Ministerpräsident zurücktritt.

FDP kriecht unter die Decke der Rechtsradikalen

Aus den Koalitionsgesprächen mit demokratischen Parteien hat FDP-Chef Christian Lindner sich 2017 aus Angst vor der Verantwortung mit den Worten gestohlen: „Besser nicht regieren als schlecht regieren.“ Jetzt kriecht dieselbe Partei in Thüringen unter die Decke der rechtsradikalen AfD. Und wenn man Wolfgang Kubicki, dem starken Mann hinter Lindner, zuhört, finden auch führende Köpfe der Bundes-FDP nichts Anstößiges an diesem Vorgang.

Bisher gab es unter den demokratischen Parteien den Konsens, keine gemeinsame Sache mit der rechtsradikalen AfD zu machen – von wenigen kommunalen Ausnahmen abgesehen. Das signalisierte, dass die Demokraten in diesem Land zusammenstehen und dass nach wie vor die große Mehrheit in Deutschland die nationalistische, entsolidarisierende und rassistische Politik der AfD ablehnt und brandmarkt. Damit ist es nun vorbei.

Hat die FDP noch einen Funken Haltung?

Welche Auswirkungen diese Wahl auf die Zukunft unseres Landes und Europas haben wird, ist noch nicht absehbar. Fakt ist: In anderen europäischen Ländern, wo Rechtspopulisten und Rechtsradikale mitregiert haben und Demokraten sich von ihnen haben wählen lassen, ging es strukturell und politisch bergab. Die Rechtsstaatlichkeit wurde massiv eingeschränkt und die Demokratie in ihren Grundsätzen erschüttert. Die Europäische Union wurde geschwächt.

Wenn die Verantwortlichen der FDP noch einen Funken Charakter und Haltung haben, sorgen sie dafür, diese Entscheidung zu korrigieren. Aber wer mag das heute glauben? Wo doch heute Morgen noch niemand hätte ahnen wollen, dass FDP und Union in Thüringen dies wagen würden.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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