Meinung

Terror von Rechts in Hanau: Was muss noch passieren, damit wir aufwachen?

Rechtsextreme Gewalt wurde und wird in Deutschland viel zu lange verharmlost. Die geistigen Brandstifter sitzen heute in den Parlamenten. Bürgerliche Parteien, die sich von ihnen nicht hinreichend abgrenzen, sorgen mit dafür, dass der braune Sumpf in der Mitte der Gesellschaft einen Platz findet.
von Karin Nink · 20. Februar 2020
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Mindestens 13 Menschen wurden in neun Monaten in unserem Land von rechtsextremen Tätern ermordet. Wäre es dem Attentäter in Halle gelungen, in die Synagoge einzudringen, wären es noch viel mehr Tote. Was muss eigentlich noch passieren, dass wir aufwachen? Offenbar haben die NSU-Morde zwischen 2000 und 2007 und deren Aufarbeitung zumindest nicht ausreichend dazu beigetragen, dass der rechten Gewalt in Deutschland effizient Einhalt geboten wird.

2. Juni 2019: Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wird von einem Täter mit rechtsextremem Hintergrund in seinem Garten regelrecht hingerichtet.

9. Oktober 2019: Ein offenbar im Netz radikalisierter Einzeltäter mit rechtsextremem Gedankengut scheitert mit dem Versuch, einen Anschlag auf die Synagoge in Halle zu verüben. Er ermordet zwei zufällig in der Nähe befindliche Menschen.

20. Februar 2020: In Hanau werden neun Menschen von einem wiederum offenbar im Internet radikalisierten Einzeltäter mit fremdenfeindlichem Hintergrund erschossen. Danach tötet der Mann sich selbst und vermutlich auch seine Mutter.

Die Radikalisierung beginnt im Internet

Die Radikalisierung in der virtuellen Welt des Internets, wo ungehindert und ungestraft Hass und Fremdenfeindlichkeit geschürt werden kann, ist dabei ein Aspekt. Daher muss endlich Schluss sein damit, dass in der digitalen Welt andere Regeln gelten können als in der realen. Der Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, mit dem sie Drohungen, Beleidigungen und Hass im Netz stärker bestrafen will, ist richtig und wichtig. Endlich ein Schritt in die richtige Richtung!  Aber auch die Sicherheitsbehörden müssen sich auf die Gewalt im Netz stärker fokusieren.

Rechte Gewalt wurde in Deutschland viel zu lange verharmlost oder gar ignoriert. Sie wird es immer noch. Als die Medien am 14. Februar von der Festnahme von zwölf Tatverdächtigen einer rechtsextremen Terrorzelle in verschiedenen Bundesländern berichteten, die Anschläge auf Politiker*innen, Muslime und Moscheen planten, um bürgerkriegsähnliche Zustände in Deutschland zu provozieren, blieben öffentliche Reaktion weitgehend aus. Aber wenn der Bundesinnenminister in diesem Zusammenhang davon spricht, dass sich in Deutschland etwas „zusammengebraut habe“, muss man ihm widersprechen. Denn der Rechtsextremismus hat sich nicht obskur „zusammengebraut“. Er hat sich für alle, die es sehen wollten, erkennbar und mit geringem Widerstand entwickelt. Rechtes Gedankengut konnte geschichtsvergessen wieder salonfähig gemacht werden, rechte Terrorzellen konnten sich zusammenrotten.

Die geistigen Brandstifter und die Bürgerlichen

Und die geistigen Brandstifter*innen sitzen heute im Bundestag und in allen Landesparlamenten. Bürgerliche Parteien, die sich von der rechtsradikalen AfD mit ihren rechtsextremen Vertreter*innen nicht hinreichend abgrenzen, tragen dazu bei, dass dieser braune Sumpf mitten in unserer Gesellschaft einen Platz finden kann. Dass Union und FDP es in Thüringen mindestens zugelassen, wenn nicht gar befördert haben, dass ein FDP-Mann mit den Stimmen jener AfD-Fraktion, deren Vorsitzenden man gerichtsfest als Faschisten bezeichnen darf, zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, ist bisher der dramatische Höhepunkt dieser Verharmlosung durch bürgerliche Kräfte.

Ein solches Verhalten – egal auf welcher politischen Ebene – kündigt den Konsens der Demokrat*innen auf und öffnet der politischen Rechten und rechtsextremen Gewalttäter*innen Tür und Tor. 13 Tote in neun Monaten sind davon auch eine Folge.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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