Meinung

Svenja Schulze: Unsere Welt funktioniert nur als Solidargemeinschaft

Die SPD justiert ihre Außen- und Sicherheitspolitik neu. In einer Welt im Umbruch spielt sozialdemokratische Entwicklungspolitik eine entscheidende Rolle, meint Ministerin Svenja Schulze.
von Svenja Schulze · 28. März 2023
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze in der Sunbeam Schule in Krokrobite, Ghana: Entwicklungspolitik schafft nachhaltige Sicherheit, die über körperliche Unversehrtheit hinausgeht.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze in der Sunbeam Schule in Krokrobite, Ghana: Entwicklungspolitik schafft nachhaltige Sicherheit, die über körperliche Unversehrtheit hinausgeht.

Unsere Welt funktioniert nur als Solidargemeinschaft, und sie ist stärker denn je verbunden, verwoben und vernetzt. Wenn Deutschland den Umstieg auf Erneuerbare Energien schaffen will, braucht es Grünen Wasserstoff aus Namibia oder Ägypten. Wenn es in einer Textilfabrik in Pakistan aufgrund von fehlendem Arbeitsschutz brennt, wird das deutsche Bekleidungsunternehmen, das seine T-Shirts dort erworben hat, hier zur Verantwortung gezogen. Wenn der Klimawandel Auswirkungen auf den Anbau von Erdnüssen in Argentinien hat, hat das sofortige Konsequenzen für die hiesige Nussverarbeitung.

Angst darf nie Treiberin der Politik sein

Hinzu kommt, dass die Welt geprägt ist von menschengemachten Krisen, die sich gegenseitig verstärken: Der Klimawandel und der Verlust der Biodiversität, Hungerkrisen und Wasserkonflikte, die Corona-Pandemie, die Situation der Menschen in Afghanistan, im Sahel oder im Iran, und seit über einem Jahr der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Diese Krisen machen vielen Menschen Angst.

Angst darf aber nie Treiberin von Politik sein, sie ist Nährboden für Polarisierung und gesellschaftlichen Bruch. Sozialdemokrat*innen begegnen diesen Krisen, indem sie Sicherheit für Menschen schaffen und zum Beispiel weltweit Soziale Sicherungssysteme aufbauen. Auch deshalb ist es heute so wichtig, dass Sozialdemokrat*innen regieren. Und auch, dass wir sozialdemokratische Entwicklungspolitik machen. Denn so unterschiedlich sie auch sein mögen, die globalen Krisen ähneln sich alle in einem Aspekt: Die Menschen, die unter den Folgen am stärksten leiden, leben meistens im Globalen Süden, in den Partnerländern der deutschen Entwicklungspolitik.

Ich will Machtstrukturen verändern

Klar wird: Die Menschheit funktioniert nur im Miteinander. Aber in diesem globalen Miteinander gibt es ein Machtgefälle: Zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Mann und Frau, zwischen Nord und Süd. Dieses Gefälle ist historisch gewachsen. Mit meiner Entwicklungspolitik möchte ich dazu beitragen, diese Machtstrukturen zu verändern. Deshalb braucht es zum Beispiel neben dem deutschen auch ein europäisches Lieferkettengesetz. Diese Gesetze sorgen dafür, dass in den Smartphones, die wir in Deutschland kaufen können, gute Arbeitsbedingungen und Rücksicht auf die Umwelt stecken. Auch die Strategie meiner feministischen Entwicklungspolitik, die ich Anfang März vorgestellt habe, ist Teil dieses Prozesses. Sie zielt darauf ab, die strukturellen Ursachen für Ungleichheiten zu bekämpfen.

Diese Art von Veränderung schafft man aber nicht alleine, das geht nur gemeinsam mit internationalen Partner*innen, mit einer multilateralen Zusammenarbeit, die auf Vertrauen baut. Starke Allianzen haben Gestaltungsmacht. Entwicklungspolitik agiert oft dort, wo dieses Vertrauen nicht per se vorhanden ist.  Aber auch in den Fällen in denen die Werte nicht deckungsgleich sind, müssen Staaten kooperationsfähig bleiben. Zusammenarbeit kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten ihre Interessen offen ansprechen und einen gemeinsamen Weg finden, den alle mitgehen – nur so entsteht Vertrauen! Und klar ist auch: In unserer heutigen multipolaren Welt brauchen wir strategische Partnerschaften über den Westen hinaus. Die neue Afrikastrategie meines Ministeriums ist ein guter Startpunkt dafür. Sie stellt die partnerschaftliche Zusammenarbeit basierend auf Respekt und Gegenseitigkeit in den Mittelpunkt.

Das Militärische darf nie das erste Mittel der Wahl sein

Mit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat sich die globale Friedensordnung verschoben. Mit weitreichenden Folgen, in erster Linie für die Menschen in der Ukraine, aber auch für jeden Einzelnen und jede Einzelne von uns, und für die Weltgemeinschaft insgesamt. Es ist natürlich richtig: Die Ukraine braucht militärischen Schutz. Sie kann nur bestehen bleiben, wenn sie sich gegen Russland wehren kann. Es ist dabei auch klar: Das alleine führt uns nicht in eine friedlichere Welt. Mehr noch: Das Militärische darf nie das erste Mittel der Wahl sein. Es ist letztlich eine Notwendigkeit, die sich aus einem Versagen der Welt im Zivilen ergibt.

Entwicklungspolitik muss daher heute in den Frieden von morgen investieren, sie wird präventiv tätig. Entwicklungspolitik schafft nachhaltige Sicherheit, die über körperliche Unversehrtheit hinausgeht. Sie bildet Strukturen aus, sie bekämpft Ungleichheit, Armut und Hunger als Treiber von Konflikten. Sie stärkt Bildung, Gesundheit, zivilgesellschaftliche Kräfte und Demokratie. Und sie setzt das um, was wir uns als Weltgemeinschaft im Jahr 2015 mit der Agenda 2030 versprochen haben: Niemanden zurückzulassen.

Meine Entwicklungspolitik steht dafür, dass jeder Mensch, egal welcher Herkunft, die Möglichkeit haben muss, selbstbestimmt zu leben. Sie steht dafür, dass jeder Mensch universell geltende Rechte innehat. Sie steht dafür, dass Menschen füreinander eintreten. Sie steht für Freiheit, für Gerechtigkeit und für Solidarität, und ist damit vor allem eins: ur-sozialdemokratisch.

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Autor*in
Svenja Schulze
Svenja Schulze

ist Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

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