Steigende Energiepreise: Was die Regierung jetzt tun muss
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Die Preise für Gas und Öl sind explodiert. Das lange tot geglaubte Gespenst hoher Inflation taucht wieder auf. Millionen Haushalte leiden unter den Folgen. Sorgen machen sich breit. Das gilt insbesondere für Menschen mit niedrigem Einkommen
Die tiefere Ursache für die rasant steigenden Preise besteht in einer strategischen falschen Ausrichtung der Energiepolitik, die zu sehr auf Marktvertrauen beruht und zu wenig die Wettbewerbsverhältnisse in den Blick nimmt. Anstatt die Gasversorgung im Kern auf langfristige Lieferverträge mit Preisgarantien und dadurch Preissicherheit für die Verbraucher*innen auszurichten, wird ein zu hoher Anteil des Gases über Spotmärkte bezogen, auf denen sich die Preise fortwährend und unter großen Schwankungen verändern. Genau diese Preise sind in die Höhe geschossen, weil russische Anbieter, die in Europa und vor allem in Deutschland eine zu hohe Marktmacht aufweisen, diesen Markt aus politischen Gründen nicht mehr hinreichend bedienen, obwohl sie dort derzeit viel Geld verdienen könnten. Zugleich hat „Gazprom“ Lager abgebaut, was den Preisdruck verstärkt.
Wie Haushalte kurzfristig entlastet werden können
Diese missliche Lage ist kurzfristig nicht zu korrigieren. Deshalb bedarf es akuter wirtschaftspolitischer Maßnahmen, um Haushalte vor allem mit niedrigen Einkommen vor den sozialen Folgen der teuren Energie zu schützen. Es bedarf aber auch einer langfristigen Strategie, die die Verbraucher*innen unter einen Schutzschild stellt, der sie vor nicht verkraftbaren Preissprüngen auf den Energiemärkten schützt. Denn hier drohen durch die weltpolitischen Turbulenzen in Verbindung mit der Energiewende erhebliche Gefahren.
Ein erster, kurzfristiger Schritt wurde bereits getan. Die zunächst einmalige Zulage zum Wohngeld, der Heizkostenzuschuss, den Bundesbauministerin Klara Geywitz initiiert hat, ist eine willkommene Hilfe für viele der betroffenen Haushalte. Doch wird dies kaum reichen, vor allem wenn die Preise auf längere Sicht so hoch bleiben.
Was bringt die Abschaffung der EEG-Umlage?
Im Gespräch ist nunmehr eine vorzeitige Abschaffung der EEG-Umlage. Diese ist im Prinzip sinnvoll, da sie falsch konstruiert war und die Kosten der Energiewende übermäßig den Verbraucher*innen aufgelastet hat. Allerdings kommt deren Abschaffung nicht unmittelbar bei den Verbraucher*innen an, sondern nur, wenn die Energieversorger sie weitergeben. Das dürfte in der gegenwärtigen Situation mit steigenden Weltmarktpreisen einige Zeit dauern. Zudem kommt sie allen Verbraucher*innen zu Gute, auch jenen, die eigentlich keine Hilfe benötigen.
Besser wären rasch realisierbare und gezielte Hilfen für jene, die ihrer wirklich bedürfen. So könnten die Länder Mittel zur Verfügung stellen, damit die Kommunen Härtefall-Fonds aufsetzen können, die Bedürftigen bei der Begleichung ihrer Energierechnungen helfen. Diese könnte über die lokalen Sozialämter oder Wohnungsbaugesellschaften geregelt werden. Erste Versuche in diese Richtung gibt es schon in Bremen und Hannover. Zudem muss für Hartz-IV-Empfänger*innen dringend die Unterstützung für die Stromrechnung erhöht werden.
Was langfristig getan werden muss
Neben diesen kurzfristigen Notmaßnahmen, müssen aber auch mittel- bis langfristige Schritte in die Wege geleitet werden, um den Preisanstieg zu dämpfen und die Verbraucher nachhaltig zu schützen. Es gilt, sich von den Lieferungen aus Russland unabhängiger zum machen und auf ein breiter gestreutes Angebot zurückzugreifen, damit kein einzelner Gasanbieter mehr die Macht hat, seine Preise zu diktieren. Zugleich sollten über entsprechende Regulierungsvorschriften die Abhängigkeiten vom Spotmarkt verringert und auf diese Weise den Konsumenten eine höhere Preissicherheit gegeben werden. Dies geht nur, wenn mehr langfristige Lieferverträge geschlossen werden.
Schließlich sollte die Konstruktion der CO2-Abgabe überdacht werden. Im Moment ist sie als ein Zuschlag zu den Energiepreisen konzipiert, mit dem Ziel, jene Energieträger wie Braunkohle und Öl, deren Verbrennen einen hohen CO2-Ausstoß mit sich bringen, auf Dauer immer teurer zu machen. Um die Verbraucher*innen vor massiven Preisschüben zu schützen und gleichzeitig Fehlanreize durch niedrige Weltmarktpreise zu vermeiden, sollte man die Zuschlag flexibel gestalten. In Zeiten hoher Weltmarktpreise für Energie sollte er relativ niedrig sein. Sind die Weltmarktpreise hingegen niedrig, sollte er relativ hoch sein. Mit all diesen Maßnahmen läßt sich nicht nur ein für alle verläßlicher Pfad der Energiepreisentwicklung erzeugen, sondern auch ein Schutzschirm errichten, der die Energiewende in einem unsicheren globalen Umfeld sozial tragfähig macht.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.