Schwesig: Warum wir mehr Aufmerksamkeit für Ostdeutschland brauchen
Die Bürgerinnen und Bürger haben sich in Brandenburg und in Sachsen für ihre Ministerpräsidenten entschieden. Davon haben ihre Parteien profitiert. Für die SPD ist es deshalb ein Ergebnis mit gemischten Gefühlen. Ich freue mich sehr, dass es Dietmar Woidke und der Brandenburger SPD gelungen ist, mit einem engagierten Wahlkampf und einem starken Endspurt den ersten Platz zu erreichen. Es lohnt sich, bis zum letzten Tag zu kämpfen.
AfD-Erfolg muss Weckruf sein
Zugleich mussten wir in Sachsen Verluste einstecken. Trotz starker Beliebtheitswerte unseres Spitzenkandidaten Martin Dulig, hat uns die starke Polarisierung zwischen CDU und AfD geschwächt. Unter schwierigen Voraussetzungen haben unserer sächsischen Genossinnen und Genossen dennoch einen symphatischen und engagierten Wahlkampf geführt. Sie haben sich nie aufgeben und Rückgrat gezeigt. Das brauchen wir auch in Zukunft.
Die Ergebnisse der AfD sind für uns alle zutiefst erschreckend. Die AfD ist mittlerweile eine Partei, in der Rechtsextreme den Ton angeben. Sie rufen zum Umsturz auf und machen unsere Demokratie verächtlich. Es muss ein Weckruf für alle sein, dass diese Partei in Sachsen und Brandenburg von rund einem Viertel der Wählerinnen und Wähler unterstützt wird.
Unterschiede bekämpfen
Viele fragen sich nun verwundert, was denn los sei im Osten. Dabei sind viele Probleme in den neuen Bundesländern seit Jahren bekannt und es sind bisher einzig und allein ostdeutsche Politikerinnen und Politiker, die diese benennen – bislang weitestgehend ohne Resonanz im Westen.
Daher brauchen wir bundesweit mehr Aufmerksamkeit für Ostdeutschland. Und das nicht nur unmittelbar vor Wahlen oder historischen Jahrestagen, sondern dauerhaft. Denn 30 Jahre nach der Friedrichen Revolution spüren die Menschen hier immer noch eine starke Ungleichbehandlung. So arbeiten die Ostdeutschen in der Regel mehr als ihre Kolleginnen und Kollegen im Westen, verdienen dabei jedoch weniger und haben durch eine geringe Tarifbindung obendrein noch weniger Urlaubsansprüche. Diese Unterscheide können wir heute niemandem mehr vermitteln – egal ob in Gera, Görlitz oder Greifswald.
Insbesondere jene, die nach den Umbrüchen der Wiedervereinigung Arbeit und Perspektive verloren haben, trifft es heute schwer. Zwar haben sie ihr ganzes Leben hart gearbeitet, doch meistens zu brutal niedrigen Löhnen. Die Angst durch Altersarmut ist zwar kein spezifisches Ostproblem, aber nirgendwo sonst drohen so viele Menschen auf einmal im Alter abzurutschen.
Die Grundrente muss kommen
Wir brauchen daher endlich Respekt vor den Lebensleistungen im Osten und konkrete Fortschritte bei der Grundrente. Das ist kein Geschenk für die ostdeutschen Wählerinnen und Wähler, wie es der bayrische Ministerpräsident Markus Söder herablassend formulierte, sondern ein notwendiger Beitrag für den Zusammenhalt in unserem Land.
Deshalb werden wir beim Thema Grundrente besonders eindringlich um eine Lösung mit der Union ringen. Einen Kompromiss werden wir als Sozialdemokratie jedoch erst mittragen, wenn er spürbar die Situation der Menschen verbessert und viele davon profitieren werden.
Wenn auch unter unterschiedlichen Vorzeichen, wird die SPD sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen Gestaltungsverantwortung übernehmen. Ich bin mir sicher, dass Dietmar Woidke und Martin Dulig mit ihrer zupackenden Art dabei Vertrauen bestätigen und verlorengegangenes Zutrauen zurückgewinnen werden. Als Bundes-SPD werden und müssen wir die ostdeutsche SPD mit einer Politik für Aufbruch, Anerkennung und Zuversicht unterstützen.
Janine Schmitz/photothek.net
ist Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern und Landesvorsitzende der SPD.