Schulden: Schnell Gas geben und langsam bremsen
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Wie überwinden wir möglichst rasch die wirtschaftlichen Folgen der Corona Krise? Diese Frage treibt die Wirtschaftspolitik in diesen Tagen der Haushaltsberatungen um. Die SPD und ihr Finanzminister Olaf Scholz sehen den Staat in der Verantwortung, Unternehmenszusammenbrüche und hohe Arbeitslosigkeit zu verhindern und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Deshalb plädieren sie vehement dafür, in der gegenwärtigen Krisenlage die Schulden spürbar auszuweiten. Das hat gute Gründe. Die globale Wirtschaft befindet sich auch nach dem weitgehenden Aufheben der Lockdowns immer noch in einer tiefen Krise. Das bedeutet, Unternehmen investieren weniger und Konsumenten konsumieren weniger als zuvor.
Diese Zurückhaltung löst sich nicht von selbst auf. Es bedarf der Ermutigung zu höheren Ausgaben und des Anschiebens von Ausgaben. Dies kann nur die Wirtschafts- und Finanzpolitik leisten, indem sie selbst Geld ausgibt oder steuerliche Anreize für Unternehmen und Haushalte schafft, Geld auszugeben. All dies muss in einer Krise schnell und entschlossen geschehen, um keine lähmende und nur schwer zu überwindende Unsicherheit aufkommen zu lassen. So ist es auch geschehen. Deutschland hat daher die Krise bisher relativ gut überstanden, wie an den nur gering steigenden Arbeitslosenzahlen abzulesen ist.
Der Staat bekommt Geld teilweise geschenkt
Dieser Erfolg hat seinen Preis. Der Staat muss schnell viel Geld in die Hand nehmen oder besser in den Haushalt stellen und sich erheblich verschulden. Doch dieser Preis ist niedrig. Der deutsche Staat kann sich angesichts der weitverbreiteten Unsicherheit an den Finanzmärkten und eines hohen Finanzangebots an Kapitalmärkten derzeit fast zum Nulltarif verschulden: Teilweise bekommt er sogar Geld geschenkt, weil der Kredit wegen Negativzinsen nicht einmal vollständig zurückgefordert wird. Wir leben also in einer Zeit von Discountkrediten. Diese Schnäppchen sollte man nutzen, zumal wenn man auf diese Weise die Wirtschaft wieder auf Aufwärtskurs bringen und die Menschen in Arbeit halten kann.
Manche, selbst durchschnittliche, Verdiener sorgen sich jedoch, dass die Schulden bald zurückgezahlt werden müssen und ihr oder das Einkommen ihrer Kinder mit hohen Steuern und Abgaben belastet werden. Diese Sorge ist unbegründet, wenn die Finanzpolitik mit Schulden gesamtwirtschaftlich verantwortungsvoll umgeht. Warum das so ist, wird hier gut erklärt. Denn Schulden müssen vor allem bedient und nicht zurückgezahlt werden, was heißt, dass die Gläubiger verlässlich ihre Zinsen bekommen wollen. Wann der geliehene Betrag zurückgezahlt wird, ist für sie bei einer Institution wie dem Staat zweitrangig. Denn anders als der Privathaushalt scheidet der Staat nicht aus dem Arbeitsleben aus oder stirbt, was die Kreditrückzahlung gefährden könnte. Gleichzeitig hat er über das Recht, Steuern zu erheben, immer die Möglichkeit sich notwendige Einnahmen zu beschaffen. Ob dies immer politisch oder ökonomisch vernünftig ist, ist eine andere Frage. Aus Sicht der Gläubiger schafft es mit Blick auf ihr verliehenes Geld Vertrauen.
Keine Rückzahlung, so lange die Wirtschaft nicht läuft
Aus alldem folgt, dass der Staat für den Zeitpunkt der Rückzahlung seiner Schulden anders als der Privathaushalt über einen großen zeitlichen Spielraum verfügt. Den gilt es klug zu nutzen. So lange die Last der Zinszahlungen gering und die wirtschaftliche Lage labil ist, sollte man sich mit der Rückzahlung Zeit lassen. Schließlich kann man die Kredite auch nach deren Auslaufen durch die Ausgabe neuer Staatsanleihen faktisch immer wieder verlängern. Käufer wird es geben, so lange der Staat als Schuldner durch regelmäßige Zinszahlungen Vertrauen genießt. Unter diesen Umständen kann der Bund mittels erhöhter Ausgaben des Staates die Wirtschaft weiter stimulieren und den wirtschaftlichen Aufschwung festigen.
Ist die Wirtschaft schließlich auf einem soliden Aufwärtskurs, und die Zinsen beginnen zu steigen, ist eine Kurskorrektur sinnvoll. Man sollte beginnen, die Schulden zurückzuzahlen, um die Zinsbelastungen im jeweils aktuellen Haushalt gering zu halten.
Verfahren hat sich in der Finanzmarktkrise bewährt
Ein solches Vorgehen ist keine reine Theorie, sondern wurde genau so nach der Finanzmarktkrise in Deutschland praktiziert, was den Schuldenstand in den vergangenen Jahren denn auch deutlich reduziert hatte. Darum sollte man diesen Weg auch nach der Corona-Krise gehen: Erst die Schulden schnell ausweiten, um die Wirtschaft rasch zu stabilisieren, und sie anschließend langsam zurückführen, um den Aufschwung nicht zu gefährden. Schnell Gas geben und langsam bremsen, das ist auch in der Wirtschaft kein schlechter Rat.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.