Sachsen: Der Neid der CDU auf die AfD
Mehrere AfD-Wahlkampfveranstaltungen in Görlitz habe ich besucht, nicht immer bin ich aufgefallen. Da waren die große Kundgebung mit Jörg Meuthen zum Abschluss des Görlitzer Kommunalwahlkampfes, ein Abend mit Alice Weidel und dann nochmal Meuthen zum Abschluss des Landtagswahlkampfes. Während die ersten beiden Veranstaltungen noch im Frühjahr stattfanden, in den geschlossenen Räumen der Brauerei, wurde die letzte auf einen zentralen Platz in der Stadt gelegt. Weniger als 500 Menschen wurden nie gezählt.
Was mich schon vor dem Besuch der jeweiligen Veranstaltungen beeindruckt hatte, war die enorme Präsenz von Plakaten der AfD im Stadtbild. Selbst dort, wo die anderen Parteien keine mehr aufhängten, außerhalb der Städte, in kleinen Orten, an einsamen Landstraßen, sah ich noch Werbung hängen, all die Sprüche und Gesichter. Und jedes einzelne Plakat war per Hand dort angebracht worden. Wie mühselig das sein konnte, hatte ich ja selbst beim Aufhängen von SPD-Plakaten mitbekommen. Die Absprachen, das Terminfinden, Kabelbinder, Leiter, Wind und Wetter. 50 Plakate standen uns im Kommunalwahlkampf für Görlitz und die umliegenden Gemeinden zur Verfügung. Es fühlte sich an, als würden Tage beim An- und Abbringen vergehen.
Wahlveranstaltungen der AfD: Ich war schockiert
Die AfD hat in Görlitz weniger Mitglieder als die SPD und dennoch war ihr diese Materialschlacht gelungen. Das lag auch an der Unterstützung durch andere Landesverbände, auch und vor allem aus dem Westen, beeindruckt war ich trotzdem. Diese Mobilisierung spiegelte sich schließlich in den besagten Wahlkampveranstaltungen wider. Ich war dort, um mehr über die Basis zu erfahren, über Sympathisanten, über die Stimmung, über das, was gesagt werden würde von Weidel, Meuthen, einzelnen Mitgliedern. Kurz: Ich war schockiert.
Das lag vor allem an der Stimmung im Saal. Minutenlang brandete immer wieder Applaus auf. Da wurde mit den Füßen gestampft und gejubelt. Und hämisch gelacht, sobald es um den politischen Gegner ging. Ich spürte einen unbedingten Willen zum Um- und Aufbruch, noch mehr tun; mehr Plakate, mehr Stände, mehr Fahnen, Banner, Flyer, Flugblätter. Und ich war mir sicher: würden jetzt AktivistInnen von Fridays For Future oder Mitglieder der Antifa auftauchen, einige der Menschen im Saal wären sofort auf sie losgegangen.
Die AfD hat den unbedingten Willen zum Umbruch
Das sind Eindrücke, mitunter Gefühle, zunächst nicht messbar. Diese Stimmung, die ich in den Görlitzer Wahlkämpfen jedoch wahrnahm, spiegelte sich schließlich in den Ergebnissen der Wahl für den sächsischen Landtag. Genauer und eindringlicher noch in den Zahlen zur WählerInnenwanderung. Keiner anderen Partei war es gelungen, so viele Nicht- und Erstwähler zu mobilisieren. Da können sich die Grünen über drei Direktmandate freuen, Ministerpräsident Kretschmer sich über die meisten Zweistimmen und die SPD sich darüber, „der coolste Landesverband“ zu sein. Angesichts des Stimmenzuwachsen für die AfD und angesichts des Mobilisierungspotentials dieser Partei, ist das alles null und nichtig.
Die AfD hat ein Narrativ, eine engagierte Basis und den unbedingten Willen zum Umbruch. Sie ist, auch und vor allem, das möchte ich nicht vernachlässigen: rassistisch, extremistisch, diskriminierend und unsozial. WählerInnen und SympathisantInnen scheint das jedoch mindestens egal zu sein.
Es ist abzuwarten, ob die AfD den Schwung und die Emotionen, die Mobilisierung über die Jahre bis zur nächsten Wahl wird erhalten oder gar befördern können. Fest steht indes, entgegen aller Erwartungen und Voraussagen, dass der Stimmenzuwachs der AfD sich durch einen Generationenwechsel nicht abschwächen wird. Auch in Görlitz, wie in ganz Sachsen, wählten die unter 18-Jährigen nach den Grünen mit über 20 Prozent die AfD. Linke, SPD und CDU liegen abgeschlagen auf den letzten Plätzen.
Schleichende Vebrüderung von CDU und AfD?
Worauf ich hinausmöchte: Vor allem die CDU schielt neidisch auf die emotionalisierte Parteibasis der AfD. Eine Volkspartei, die die CDU in Sachsen noch ist und die die SPD, in diesem glücklichen Fall, noch nie darstellte, benötigt diesen breiten Zuspruch und die ihr zufliegenden Sympathien. Auch die der Nicht-, Erst- und U18-WählerInnen. Ihr Machtanspruch und Machterhalt gründet darauf. Ich glaube daher, dass es, abgesehen von Sachthemen und persönlichen Kontakten, in Sachsen zu einer schleichenden Verbrüderung von AfD und CDU kommen wird.
Hierzu noch ein abschließendes Beispiel aus dem vor wenigen Wochen neu konstituierten Stadtrat in Görlitz: In die Ausschüssen des Stadtrates dürfen sogenannte sachverständige Bürger und Bürgerinnen berufen werden. Sie werden von den Parteien vorgeschlagen und müssen nicht Mitglied der Partei oder des Stadtrates sein. Die AfD schlug einen jungen Mann vor; bekennender Neonazi, Führungsfigur der örtlichen Identitäten Bewegung, Waffennarr, einschlägig bekannt in Görlitz. Mit den Stimmen der AfD-Fraktion allein wäre der Mann nie in den Ausschuss gelangt. Sieben Personen der CDU-Fraktion stimmten ebenfalls für ihn.