Meinung

Pro: Christine Lieberknecht wäre als Übergang in Thüringen politisch vernünftig

Christine Lieberknecht soll Übergangs-Ministerpräsidentin in Thüringen werden. Der Vorschlag von Thüringens Linken-Chef Bodo Ramelow ist eine pragmatische Lösung aus der Krise. Das Manöver zeugt vor allem vom Verantwortungsbewusstsein von Linke und SPD.
von Benedikt Dittrich · 18. Februar 2020
Linken-Chef Bodo Ramelow hat die ehemalige CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht für eine Übergangsregierung vorgeschlagen.
Linken-Chef Bodo Ramelow hat die ehemalige CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht für eine Übergangsregierung vorgeschlagen.

Christine Lieberknecht wird von Bodo Ramelow für eine Übergangsregierung bis zu Neuwahlen vorgeschlagen. Getragen wird der Vorstoß neben der Linkspartei von der SPD, auch von den Grünen gibt es einzelne positive Stimmen. Die Idee, eine ehemalige CDU-Ministerpräsidentin ins Amt zu wählen, ist eine pragmatische Lösung der Krise. Sie ist obendrein offenbar auch der einzige gangbare Weg in einer völlig verfahrenen Situation.

Beinahe vier Monate ist es nun her, dass in Thüringen gewählt wurde. Seitdem ringen die Fraktionen um stabile Verhältnisse. Vor zwei Wochen dann der Tabubruch, als CDU und FDP zusammen mit der AfD Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten wählten. Seitdem „regiert“ das Chaos. Kemmerich ist kommisarisch im Amt, ohne Minister*innen, im Grunde wird das Bundesland derzeit notverwaltet. Vor diesem Hintergrund ist der Stock, den Linke und SPD nun der CDU hinhalten, denkbar niedrig. Die Union muss eigentlich nur noch hüpfen.

Realistischer Ausweg statt politischer Wahnsinn

Gleichzeitig ist diese „technische Regierung“ der einzige realistische Ausweg. Anders als der politische Gegner bieten Linke und SPD überhaupt etwas an, was auf Zustimmung stoßen könnte. Ein Weg zurück zu politischer Stabilität. Das zeugt von Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Land und der Bevölkerung und ist deswegen nur zu loben.

Denn was wäre die Alternative? Es gibt offenkundig derzeit keine Mehrheit für einen linken Ministerpräsidenten. Es ist unwahrscheinlich, dass die Situation nach weiteren zwei Wochen Debatte und gegenseitigen Vorwürfen eine andere wäre. Eine Regierungskoalition liegt unter den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen in weiter Ferne, Neuwahlen sind der einzig nützliche Weg.

Bis dahin vergehen aber noch mindestens zwei Monate. Alles zusammengerechnet wäre dann Thüringen ein halbes Jahr ohne funktionierende Regierung, was gleichbedeutend mit Stillstand ist. Ein solches Machtvakuum über ein halbes Jahr wäre politischer Wahnsinn und würde nur der AfD helfen, das demokratische System weiter zu unterlaufen.

Denkbar einfache Entscheidung

Nachdem die CDU-Fraktion um den Noch-Vorsitzenden Mike Mohring von den Faschisten vorgeführt wurde, kann sie sich nun um Schadensbegrenzung bemühen, ohne das Gesicht komplett zu verlieren. Wenn sie sich gegen ihre eigene, ehemalige Ministerpräsidentin als Übergangslösung stellen würde, wäre das ein zweites Desaster.

Die Thüringer Union muss sich also entscheiden, ob sie weiterhin das Chaos regieren lassen will, das am Ende nur der AfD nützt oder ob sie eine stabile Übergangsregierung mit einer der ihren an der Spitze wählt und damit den Weg für Neuwahlen frei macht. Linke und SPD haben der CDU eine sehr gute Brücke gebaut.

Contra: „vorwärts"-Redakteur Lars Haferkamp spricht sich gegen Christine Lieberknecht als Übergangs-Ministerpräsidentin aus.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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