Meinung

Politik der SPD: Worauf es im Verhältnis zu den USA ankommt

Wie soll die künftige Außen- und Sicherheitspolitik der SPD aussehen? Die Kommission Internationale Politik unterstreicht im Positionspapier zur Zeitenwende die Bedeutung enger transatlantischer Beziehungen. Einige Aspekte kommen dabei aber zu kurz.
von Julia Hammelehle · 10. April 2023
Um die transatlantischen Beziehungen auf ein nachhaltigeres Fundament zu stellen, gilt es, sie auf allen Ebenen von Politik und Gesellschaft zu stärken, meint Julia Hammelehle.
Um die transatlantischen Beziehungen auf ein nachhaltigeres Fundament zu stellen, gilt es, sie auf allen Ebenen von Politik und Gesellschaft zu stärken, meint Julia Hammelehle.

Vor dem Hintergrund einer „Welt im Umbruch“, einer Zeit „globaler Großkrisen“ und zunehmenden Autoritarismus, fordert die Kommission Internationale Politik (KIP) in ihrem im Januar vorgestellten Papier, dass Deutschland und Europa international mehr Verantwortung übernehmen und Partnerschaften weltweit vertiefen. Herausgestellt wird die Bedeutung der transatlantischen Partnerschaft – sie sei „zentral für die europäischen und deutschen Außenbeziehungen“. Die enge Bindung zu den USA wird damit – richtigerweise – als ein Pfeiler sozialdemokratischer Außenpolitik verstanden.

Die militärischen Kapazitäten und Fähigkeiten der EU ausbauen

Das Papier argumentiert weiter, dass der russische Krieg gegen die Ukraine die transatlantischen Gemeinsamkeiten „so stark hervortreten lässt wie lange nicht“. Die Kommission betont die transatlantische Geschlossenheit in der Unterstützung der Ukraine und macht zugleich zwei Punkte deutlich: erstens, die Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten zur Verteidigung der europäischen Sicherheit und folglich zweitens von dem Kurs der jeweiligen US-Regierung. Vor dem Hintergrund dessen fordert das Papier, die militärischen Kapazitäten und Fähigkeiten der EU auszubauen und damit dem lang formulierten Anspruch einer verteidigungsfähigen EU näherzukommen. Explizit wird dies jedoch nicht als Maßnahme „gegen“ die USA verstanden, sondern als Weg, die europäische Säule in der NATO zu stärken und schließlich zu einer „echten transatlantischen Führungs- und Verantwortungspartnerschaft zu kommen“.

Auch mit Blick auf die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen plädiert die KIP für Investitionen in die eigene europäische Wirtschafts- und Innovationskraft als Grundlage enger transatlantischer Kooperationen. Ideen zu Inhalt, Format und Umsetzung solcher Kooperationen werden aber nicht näher ausgeführt. Und zwar erwähnt der Text den Anspruch, bestehende Handelshemmnisse abzubauen, deutlich ausführlicher geht er jedoch auf die Vermeidung von Handelsstreitigkeiten ein. Der Ansatz scheint so eher defensiv ausgerichtet, denn auf die Initiierung und Gestaltung einer progressiven transatlantischen Handels- und Wirtschaftsagenda.

Dabei könnte diese zum einen dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der USA und Europas zu fördern und damit die Position auch gegenüber China zu stärken und könnte zum anderen ein Baustein in der Umsetzung der sozialdemokratischen Zielsetzung sein, die sozial-ökologische Transformation national wie global voranzutreiben. Gemeinsame Investitionen in grüne und digitale Technologien, das Setzen globaler Standards oder die Reform internationaler Wirtschafts- und Handelsorganisationen sind nur wenige Bespiele für eine mögliche Vertiefung der aktuellen Zusammenarbeit.

Der Blick geht zu kurz

Das Aufzeigen einer gemeinsamen proaktiven Agenda fehlt auch mit Blick auf andere Politikfelder. So wird zwar auf geteilte „strategische Ziele“ verwiesen, „europäische Sicherheit, Klimapolitik und Multilateralismus“ schließlich aber nur lose aufgezählt und weder in Inhalt noch in Umsetzung und Gestaltungsformat konkretisiert. Auch in dem späteren Abschnitt des Papiers zu globalen Herausforderungen wie Klimawandel und Gesundheitspolitik wird trotz der internationalen Führungsrolle der USA und den vielfältigen Kooperationsmöglichkeiten – insbesondere unter der Regierung Biden – auf eine mögliche engere Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten nicht eingegangen.

Zu kurz greifen also die Ambitionen für die Partnerschaft. Zu kurz kommt aber auch der Blick über die Regierungsebene hinaus. Um die transatlantischen Beziehungen auf ein nachhaltigeres Fundament zu stellen, gilt es, sie auf allen Ebenen von Politik und Gesellschaft zu stärken. Politisch, indem der Austausch zwischen den Bundesstaaten, Städten und Parlamenten weiter intensiviert wird. Gesellschaftlich, indem über vielfältige Dialog- und Austauschformate im Kultur- Bildungs- und Wissenschaftssektor in die breite Gesellschaft gewirkt wird. Die SPD sollte sich hierbei auch darum bemühen, den Kontakt zwischen Fraktion und Parteivorstand mit dem progressiven Flügel der Demokraten zu verstetigen und ferner die Bindung zu zivilgesellschaftlichen Bewegungen zu intensivieren, die – oftmals von den jüngeren Generationen vorangetrieben – für soziale und ökologische Transformationen eintreten.

In einer „Welt im Umbruch“ kann die transatlantische Allianz einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die internationale regelbasierte Ordnung zu stärken und – gemeinsam mit internationalen Partnern – Lösungsansätze für globale Probleme zu entwickeln. Die Sozialdemokratie sollte das aktuelle Momentum nutzen und eine progressive transatlantische Agenda vorantreiben – auf allen Ebenen.

node:vw-infobox

Autor*in
Julia Hammelehle

ist stellvertretende Vorsitzende des Fachausschuss Internationales der SPD Berlin und beruflich als Policy Advisor für die Münchner Sicherheitskonferenz tätig.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare