Meinung

NSU 2.0: Demokratie muss jeden Tag gegen ihre Feinde verteidigt werden

Zwischen August 2018 und März 2021 verschickten Unbekannte mindestens 133 Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0“. Zwei bekam Nancy Faeser als Vorsitzende der hessischen SPD. Für sie eine Bestätigung, im Kampf gegen rechts nicht nachzulassen.
von Nancy Faeser · 7. Februar 2022
Erhielt Drohriefe vom „NSU 2.0“: Nancy Faeser
Erhielt Drohriefe vom „NSU 2.0“: Nancy Faeser

Seit dem Spätsommer 2018 sind in ganz Deutschland weit über 100 Briefe, Faxe und E-Mails aufgetaucht, in denen Menschen von einem angeblichen „NSU 2.0“ bedroht werden. In einigen dieser Schreiben finden sich persönliche Informationen über die Empfänger*innen, die öffentlich nicht zugänglich sind. Die meisten der NSU-2.0-Briefe sind voller ekelhafter rechtsradikaler Phantasien von der Vernichtung Andersdenkender. Und alle diese Nachrichten haben ein Ziel: Diejenigen einzuschüchtern, die in der Öffentlichkeit für Toleranz, Freiheit, Weltoffenheit und den demokratischen Rechtsstaat einstehen. Seit einigen Wochen gehöre auch ich zu jenen, die eingeschüchtert werden sollen.

Der Kampf gegen rechts gehört zur DNA der SPD

Zwei NSU-2.0-Briefe habe ich erhalten, von beiden hoffe ich, dass sie nur von einem Trittbrettfahrer stammen. Aber was bedeutet „nur“? Es bedeutet, dass da vielleicht nur ein anonymer Maulheld am Werke war, der hofft, dass ich vor seinen Drohungen zurückweiche. Das werde ich nicht tun.

Der Kampf gegen Faschismus und Rechtsextremismus, gegen Rassismus und völkische Ideologien gehört zur politischen DNA meiner Partei, der SPD. Er gehört zu meiner politischen Arbeit als Mitglied des Hessischen Landtags. Und er muss zum Alltag jedes Demokraten und jeder Demokratin gehören, weil Freiheit und Demokratie jeden Tag aufs Neue gegen ihre Feinde verteidigt werden müssen.

Das Internet als globale Radikalisierungsmaschinerie

Der Mann, der in Berlin als mutmaßlicher Urheber der meisten NSU-2.0-Drohungen verhaftet wurde, wird als Einzelgänger und Einzeltäter beschrieben. Und es ist wahrscheinlich wirklich so, dass er seine widerlichen Pamphlete ohne fremde Hilfe verfasst hat. Aber er tat es ganz bestimmt in dem Bewusstsein, eben nicht alleine zu sein. Denn um sich zu vernetzen, sich gegenseitig in Rassenwahn und faschistischen Phantasien zu bestärken, reicht den Rechtsextremen heute das Internet. Dort treffen die ideologischen Wegbereiter auf ihre nützlichen Idioten. Dort werden Verblendete zu Gewalttätern. Auch der mutmaßliche Verfasser der NSU-2.0-Briefe war bei seiner Verhaftung bewaffnet.

Ohne das Internet als globale Radikalisierungsmaschinerie ist der erstarkende Rechtsextremismus des 21. Jahrhunderts nicht denkbar. Das ist eine erschütternde Erkenntnis, die uns aber umso mehr anspornen muss, gegen rechtes Gedankengut, rechte Drohungen und rechte Gewalt aufzustehen. Jeden Tag und an jedem Ort.

Der Text erschien zuerst im „antifa“-Magazin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Autor*in
Nancy Faeser

ist Bundesinnenministerin und Vorsitzende der SPD Hessen.

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