November-Lockdown: Endlich wieder einheitliche Regeln
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Gastronomie wieder dicht, Theater und Kinos geschlossen, vier Wochen lang ein zweiter Lockdown mit harten Kontaktbeschränkungen – die Ministerpräsident*innen haben sich gemeinsam mit der Bundeskanzlerin wieder auf einheitliche, aber harte Maßnahmen geeinigt. Kitas und Schulen sollen zwar so gut wie möglich geöffnet und auch die Wirtschaft am Leben erhalten bleiben, aber trotzdem: Es sind wie schon im Frühjahr wieder harte Einschnitte um das Coronavirus zurückzudrängen.
Und trotz der Einschränkungen der Grundrechte, der Begrenzung individueller Freiheiten und der wirtschaftlichen Risiken, die damit einher gehen, gibt es einen Grund zum Aufatmen: Es gibt endlich wieder einen klaren Fahrplan für die kommenden Wochen. Denn klare Regeln und nachvollziehbare Maßnahmen sind die besten Instrumente, um der steigenden Ungewissheit und Angst entgegenzuwirken. Vor allem, seitdem Begriffe wie „Shutdown“ oder „Lockdown“ schon seit Wochen durch Medien, private Gespräche und öffentliche Debatten waberten.
Einschränkungen kommen nicht überraschend
Die Verschärfung kommt auch nicht überraschend, nachdem schon seit Wochen der Tenor von Virologen, Epidemiologen und Politiker*innen war und ist: Sinken die Infektionszahlen nicht deutlich, kommen wir nicht umhin, das öffentliche Leben erneut stark einzuschränken. Ja, selbst im Frühjahr nach den ersten harten Einschränkungen warnten viele: Herbst und Winter können hart werden, wir stehen erst am Anfang. Das hat sich nun bewahrheitet.
Es ist müßig, jetzt noch nach Schuldigen oder dem einen Grund zu suchen, warum sich das Virus überhaupt erst wieder stärker ausbreiten konnte. Selbst wenn es darauf die eine einfache Antwort gäbe, an den jetzt rasant steigenden Infektionszahlen ändert es nichts. Nachdem es auf freiwilliger Basis nicht klappte und zusätzlich das Regel-Chaos Verwirrung stiftete, war die Politik nun offenbar dazu gezwungen, ja, zur Einigkeit verdammt. Ein Schritt, der auch den Ministerpräsident*innen nicht leicht gefallen ist – zumindest Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, der derzeit auch Vorsitzender Ministerpräsidentenkonferenz ist, erklärte am Mittwochabend, wie schwer ihm persönlich diese Entscheidung gefallen war, was für eine Zumutung dieser erneute Lockdown für alle sei.
Im Vergleich zu Frankreich, Spanien oder Italien haben wir zwar noch deutlich niedrige Zahlen. Doch der Schein trügt. Bei exponentiellem Wachstum kann das, was wir bei unseren europäischen Nachbarn bereits sehen, auch bei uns binnen weniger Tage die neue Realität sein: Überfüllte Krankenhäuser, überlastetes Pflegepersonal, unkontrollierte Ausbreitung des Virus in Risikogruppen, für die Covid-19 potentiell tödlich endet. Das gilt es unbedingt zu vermeiden.
Absolute Priorität: Leben schützen
Bei all den Risiken für die Wirtschaft, den Einschränkungen auf Kosten unserer Freiheit, unserer Kultur, unserer Gesellschaft, geht es am Ende um den Schutz des Lebens. Egal, ob es dabei um unser eigenes oder das unserer Mitmenschen geht, so nervig und so belastend die Einschränkungen auch für jeden persönlich sein mögen. „Es geht schlichtweg um Menschenleben, das zu retten ist“, so Müller am Mittwoch.
Und es ist gut, dass die Politiker*innen jetzt wieder zu allgemeinen Regelungen zurückgefunden haben. Denn wenn die Regeln verständlich, nachvollziehbar und bundesweit einheitlich sind, können sie auch besser eingehalten werden. Und dass eine überwiegende Mehrheit der Bevölkerung die Regeln einhalten möchte und auch die Einschränkungen für richtig hält, ja, sogar schärfere Maßnahmen fordert, das zeigen die Umfragen der vergangenen Wochen.
Es gilt, diese überwiegende Mehrheit mit guten Erklärungen und nachvollziehbaren Entscheidungen zu halten und nicht durch ein anhaltendes, intransparentes Regel-Wirrwarr zu frustrieren. Um mehr Verständnis und Transparenz bei den Corona-Regeln zu erreichen, könnte und sollte auch der Bundestag als Ort der Debatte und Abstimmung wieder mit einbezogen werden – so wie es der verstorbene Bundestagsvize Thomas Oppermann vergangene Woche im „vorwärts“ noch gefordert hatte.
Solche Forderungen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es nach vor in der Hand haben, ob und wie schnell wir die Pandemie ausbremsen können. Ohne Handlungsanweisungen von oben scheint das zwar offensichtlich nicht zu klappen, aber am Ende sind wir es als Gesellschaft, die die Regeln einhalten müssen. Daran hat sich nichts geändert.