Nazis im Netz: Sie wollen wieder hetzen dürfen
Im Sommer 2012 habe ich in Marburg studiert, als die NPD mit ihrer Sommertour in der linken Universitätsstadt Halt machte. Dort stand der damalige stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei Udo Pastörs mit hochrotem Kopf, weil er gegen etwa 300 lautstarke Gegendemonstranten nicht ankam. Sie riefen „Nazis raus“ und wenige Stunden später hatten Pastörs und sein Dutzend Begleiter die Stadt wieder verlassen. Die Speerspitze des deutschen Rechtsextremismus hoffnungslos unterlegen gegen den demokratischen Widerstand.
Rechtsextreme marschieren zu Tausenden
Das ist noch nicht einmal sieben Jahre her. Doch seitdem hat sich viel geändert. Inzwischen marschieren tausende Rechtsextreme durch deutsche Städte. Sie zeigen Hitlergrüße und rufen Parolen wie „Wir sind die Fans, Adolf-Hitler-Hooligans“. Sie sitzen in Parlamenten, wo sie offen den Holocaust leugnen. Und sie verbreiten Hass und Hetze im Internet gegen Andersdenkende.
Das bekam vor wenigen Tagen die Journalistin Nicole Diekmann zu spüren. Sie twitterte am 1. Januar, quasi als guten Vorsatz fürs neue Jahr: „Nazis raus.“ Was folgte, waren Beleidigungen, Drohungen und Anfeindungen von Rechts, aber auch eine Welle von Solidarität. Der Hashtag #NazisRaus war zeitweise der erfolgreichste auf Twitter. Der demokratische Widerstand funktionierte.
In anderen Fällen haben die Rechten inzwischen jedoch bereits die Deutungshoheit errungen. Beispielsweise bearbeitete die ARD nachträglich eine Folge ihrer Krimireihe „Polizeiruf 110“, weil darin antifaschistische Buttons zu sehen gewesen waren. Das ZDF entschuldigte sich, weil in einem kurzen Videoausschnitt ein Kameramann mit Slime-Jacke zu sehen gewesen war. Jene Band, die mit ihrem Lied „Sie wollen wieder schießen dürfen“ die menschenverachtende Rhetorik der AfD auf den Punkt gebracht hat.
Lautstark sein gegen Rechts
Das Problem sind keine Kameraleute mit Slime-Jacken oder fiktive antifaschistische Kommissare, sondern reale Nazis mit Thor-Steinar-Jacken, in Fußballstadien, auf Demonstrationen, in Parlamenten. Sie fühlen sich ermutigt und wollen wieder hetzen dürfen. Es ist die Aufgabe aller Demokraten, lautstark dagegen zu protestieren und den Rechten nicht die Meinungshoheit zu überlassen. Wie das geht, hat beispielsweise die unteilbar-Demonstration im vergangenen Herbst gezeigt, als mehr als 250.000 Menschen ein gemeinsames Zeichen für Solidarität und gegen rechte Hetze gesetzt haben.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo