Nach Rede von Scholz: Wie es nach Putins Kriegserklärung weitergeht
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Es ist in Deutschland noch mitten in der Nacht, als der Krieg in Europa beginnt. Gegen drei Uhr überträgt das russische Staatsfernsehen die Erklärung von Wladimir Putin einer „Sondermilitäroperation“ in der Ukraine, parallel setzen sich offenbar schon Truppen in Bewegung, erste Raketen schlagen auf ukrainischem Boden ein.
In der Zeit, als noch der UN-Sicherheitsrat tagt und genau diesen Krieg noch verhindert will, wird das Völkerrecht bereits gebrochen. Kurz nachdem erste Eilmeldungen verschickt sind, meldet sich Bundeskanzler Olaf Scholz. Rückblick auf einen Tag, der eine Zäsur für die Sicherheit, für den Frieden in Europa darstellt.
Scholz verurteilt am Morgen den russischen Angriff
Das erste offizielle Statement, das Olaf Scholz am Donnerstagmorgen gegen 7 Uhr abgibt, kommt schriftlich: „Der russische Angriff auf die Ukraine ist ein eklatanter Bruch des Völkerrechts“, beginnt seine erste Nachricht, die auch über Twitter verbreitet wird. Ein Marathon an Treffen, Telefonaten und weiteren Terminen folgt. Politik in der Krise, im Krieg.
In den folgenden Stunden melden sich weitere SPD-Spitzenpolitiker*innen zu Wort, auch von allen anderen demokratischen Parteien wird der Einmarsch, die Invasion Russlands scharf verurteilt, fadenscheinige Argumente Putins als „Lügen“ gebrandmarkt, weitere Sanktionen angekündigt. (Äußerungen und Reaktionen aus der SPD zur russischen Invasion am Donnerstag im Ticker.)
Eine Zeit, in der es schwierig ist, die Übersicht zu behalten: Meldungen aus Osteuropa vermischen sich mit neuen Ankündigungen aus Brüssel und Berlin, Sondersitzungen werden kurzfristig anberaumt, die NATO aktiviert Verteidiungspläne für Osteuropa. Partnerländer im Baltikum, Polen und Tschechien geraten in den Krisenmodus, der so unbedingt mittels Diplomatie verhindert werden sollte. Dazwischen immer wieder neue Meldungen aus den Kriegsregionen. Vieles ist unsicher, nur eines ist sicher: Russland hat die Ukraine massiv angegriffen, Truppen rücken überall im Land vor, es geht Putin um viel mehr als um die Separatistengebiete in der Ostukraine.
Rede am Mittag, TV-Ansprache am Abend
Nach der ersten Äußerung in der Nacht und einem weiteren kurzen Pressestatement zur Mittagszeit tritt der Bundeskanzler dann am frühen Abend erneut vor die Kameras. Eine Ansprache wird aufgezeichnet, die wenig später im Fernsehen ausgestrahlt wird. Derweil äußern sich auch die G7-Staaten gemeinsam und schriftlich: „Wir bekunden unsere unerschütterliche Unterstützung und Solidarität für die Ukraine.“ Die Invasion wird verurteilt – von einem Gremium, dem Russland einige Jahre zuvor selbst noch angehört hatte. Da waren es noch die „G8“.
Bei der TV-Ansprache am Donnerstag selbst wählt Olaf Scholz dann seine Worte sorgsam. „Gerade erleben wir den Beginn eines Krieges, wie wir ihn in Europa seit fast 80 Jahren nicht erlebt haben“, erklärt er, während er direkt in die Kamera blickt, hinter sich neben der deutschen und der europäischen auch die ukrainische Flagge. Es sei ein furchtbarer Tag für die Ukraine und ein düsterer Tag für Europa. „Das ist ein Überfall auf ein unabhängiges, souveränes Land. Er ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen.“ Gerade zwei Flugstunden von Berlin entfernt bangten zurzeit Familien in Luftschutzkellern um ihr Leben.
Scholz sagt der Ukraine erneut die Solidarität Deutschlands zu, erteilt Putins Großmacht-Fantasien erneut eine Absage. „Es gibt kein Zurück in die Zeit des Kalten Kriegs“, so Scholz. Putin habe alle Warnungen, alle Bemühungen in den Wind geschlagen. „Er allein, nicht das russische Volk, hat sich für den Krieg entschieden. Er allein trägt dafür die volle Verantwortung.“ Doch man habe sich vorbereitet, so Scholz weiter – in der EU, der Nato, in den G7 und kündigt weitere Sanktionen an. „Sie werden die russische Wirtschaft hart treffen.“ Putin werde nicht gewinnen.
Sondersitzungen von Berlin bis Brüssel
Im Anschluss ist Scholz bereits unterwegs nach Brüssel – am Abend wird hier bei einem Sondergipfel über weitere Sanktionen beraten.Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will ein neues Sanktionspaket vorstellen. Auch auf EU-Ebene ist man sich an diesem Tag einig: Der Bruch des Völkerrechts, die Invasion der Ukraine, muss klar verurteilt und sanktioniert werden. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verurteilt die Invasion und warnt den russischen Präsidenten deutlich davor, den Konflikt auch auf Nato-Gebiet auszuweiten. Am Freitag wollen die Nato-Länder zu einem Sondergipfel zusammenkommen.
Weitere Krisentreffen auf nationaler und internationaler Ebene dürften in den nächsten Tagen folgen. Ausschüsse des Bundestags und auch das Sicherheitskabinett tagten bereits am Donnerstag, teils geheim, am Wochenende ist eine Sondersitzung des Bundestags anberaumt. Am Sonntag ab 11 Uhr wird sich das Parlament mit dem Krieg befassen, Scholz eine Regierungserklärung abgeben. „Der 24. Februar 2022 wird als ein schwarzer Tag in die Geschichte Europas und der gesamten zivilisierten Welt eingehen. Dass Russland einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen ihr Land begonnen hat, ist völlig inakzeptabel und auf das schärfste zu verurteilen“, schreibt die Präsidentin des Bundestags, Bärbel Bas, an ihren ukrainischen Amtskollegen Ruslan Oleksiiovych Stefanchuck.