Nach Corona: Wie ein sozialdemokratisches Konjunkturprogramm aussehen kann
Florian Gaertner/photothek.net
Dürfen Schüler am Freitag für den Klimaschutz die Schule schwänzen? Vor dem Hintergrund von Corona scheint es wie aus einer anderen Zeit, als der Klimaschutz auf der Straße vorangetrieben wurde oder – je nach politscher Einfärbung – die Schulpflicht sakrosankt war. Die sozio-ökonomische Transformation ist unter dieser einmaligen Pandemie, dem Schock über die tausenden Toten und den notwendigen Sofortmaßnahmen in den Hintergrund getreten.
Gleichzeitig mehren sich die Stimmen, die eine Koppelung von anstehenden Hilfspaketen an ökologische Faktoren fordern. Bundesumweltministerin Svenja Schulze etwa setzt sich dafür ein, „den wirtschaftlichen Aufschwung nach der Corona-Krise an unseren Umwelt- und Klimazielen auszurichten.“. Die umweltnahen Organisationen BUND und Agora Energiewende fordern bei Konjunkturprogrammen klimaschädliche Technologien außenvorzulassen – die Abwrackprämie steck vielen noch in den Knochen.
Ein sozialdemokratisches Hilfspaket
Wie aber kann ein sozialdemokratisches Hilfspaket aussehen, das nicht nur die ökologische, sondern auch die soziale Gerechtigkeit im Blick behält? Gerade wenn wir nicht nur über Soforthilfen, sondern zukünftige Konjunkturprogramme sprechen, beginnt jetzt der Kampf um Deutschlands Wirtschaftsstruktur der 2020er.
Die Krise bedeutet Leid und Entbehrungen für Millionen Familien, Arbeitslose und Beschäftigte. Für sie hat die SPD die Verantwortung in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren für eine sozialere Zukunft zu sorgen. Dafür muss die SPD als Regierungspartei klare Forderungen an Unternehmen stellen, die Hilfsgelder vom Staat erbitten. Wenigstens drei Modelle sind dabei für Sozialdemokraten je nach Umfang der Hilfen und der Ausrichtung der Partei denkbar:
Als Mindestmaß sollten wir uns dabei am dänischen Modell orientieren: Die dänische Regierung hat beschlossen, Unternehmen, die Dividenden ausschütten, eigene Aktien zurückkaufen oder in Steueroasen registriert sind, von Hilfsprogrammen auszuschließen. Wer nicht in die Gemeinschaft einbezahlt hat oder das Hilfsgeld direkt an Investoren ausschüttet, kann nicht erwarten, dass zukünftige Generationen Schulden für sie aufnehmen. Und Dänemark steht mit diesem Plan nicht allein. Neben unserem Nachbarn im Norden, haben sich auch Frankreich und Polen dieser Forderung angeschlossen. Der Vorschlag von SPD-Chef Norbert Walter-Borjans, Hilfen an die Schließung von Briekastenfirmen in Steueroasen zu koppeln, ist dabei das Minimum, um die Forderungen unserer Nachbarn zu unterstützen.
Hilfen gegen Reformen
Wenn Sozialdemokraten mehr als Ungerechtigkeit verhindern wollen, folgen sie dem SPD-Modell: Unternehmen müssen mittelfristig interne soziale Reformprogramme im Gegenzug für Staatshilfen umsetzen. Unternehmer*nnen sind immer die ersten, die uns daran erinnern, dass es nichts umsonst gibt. Nun ist es Zeit, sie daran zu erinnern. Von langfristigen Verpflichtungen zur Frauenquote auch im mittleren Management über die Ausweitung der Betriebsratsmitbestimmung bis hin zu echter Verantwortung von Unternehmen für die Menschenrechtsverletzungen ihrer Zulieferer– die Liste möglicher Forderungen ist lang.
Und solange sie vor allem auf langfristige strukturelle Änderungen ausgelegt sind, gibt es auch keine Liquiditätsgründe für Unternehmen sich diesen zu verschließen. Gerne kann die Rückzahlung auch an unabhängige sozio-ökologische Ratings im Vergleich zum Branchenschnitt gekoppelt werden. Dies würde das erste Mal ein systematisches Monitoring- und Anreizsystem für nachhaltiges sozialverträgliches Wachstum implementieren.
Das Risiko vergemeinschaften, das Eigentum auch
Das noch weiterreichende Lufthansa-Modell würde auf eine schrittweise Umstrukturierung der Eigentumsverhältnisse abzielen. Es ist nicht lange her, dass bei konservativen Politikern und Medien die Schnappatmung einsetzte als Kevin Kühnert bemerkte, man könne über geänderte Eigentumsverhältnisse von Unternehmen nachdenken – heute ist es Regierungspolitik.
Unternehmer*innen nehmen für sich in Anspruch das unternehmerische Risiko zu tragen und dafür mit Renditen und Eigentum belohnt zu werden. Da dieses Risiko nun vergemeinschaftet wird, kann man auch über Umstrukturierung von Gewinnen und Eigentum nachdenken. Im Gegenzug für Staatshilfen können in begrenztem Umfang Aktien über Kapitalerhöhungen an Mitarbeiter*nnen ausgegeben werden.
Über wenige Umwege wäre dies auch bei anderen Unternehmensformen möglich – Sozialdemokrat*innen dürfen bei Unternehmenskonstruktionen auch mal kreativ werden. Gerade diese Anteile ermöglichen in Zukunft eine gestärkte Teilhabe von Menschen in Arbeit und bieten neben der betriebsratlichen eine weiter Säule der kapitalgedeckten Mitbestimmung von Millionen Angestellten.
Nur kein konservatives Regierungsprogramm
Welchen Weg die SPD geht, muss schnell entschieden werden, um die Debatte zu bestimmen. Alle Modelle haben ihre Vor- und Nachteile. Aber kein Konzept oder zusammenschustertes Stückwerk werden die Hilfspakete zu einem konservativen Regierungsprogramm machen. Wir müssen nach der Krise ein sozial gerechteres Deutschland und Europa vor uns haben. Das ist eine SPD in der Regierung Familien, Arbeitslosen und Beschäftigten schuldig.
arbeitet zur Zukunft der Arbeit in Asien im Regionalbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung in Singapur. Zuvor hat er im Bundestag gearbeitet, Politikwissenschaft an der Harvard Universität und Wirtschaftsingenieurswesen an der TU Berlin studiert.