Nach Attacke auf Giffey: Eier essen statt Eier werfen!
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Am Samstag war ich auf dem Wochenmarkt und habe zehn Eier gekauft. Damit lassen sich tolle Sachen machen, ein weich gekochtes Frühstücksei zum Beispiel, einen Kuchen backen oder ein Schnitzel panieren. Was ich nicht sinnvoll finde, ist, Politiker*innen mit Eiern zu bewerfen. So geschehen am Sonntag bei der DGB-Kundgebung zum 1. Mai in Berlin, als die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) Ziel einer solchen Attacke wurde. Das ist nicht nur höchst unangenehm für die Betroffene und unfair den Produzent*innen gegenüber, sondern auch der Abschied vom demokratischen Diskurs.
Unklar ist, aus welchem Spektrum die Eierwerfer*innen stammten und was sie damit bezweckten. Wollten sie Berlins Image von einer weltoffenen Metropole wieder dem der einstigen Krawallhauptstadt anpassen? Doch Zufall sind diese Eierwürfe mit Sicherheit nicht. Sie fallen in eine Zeit, in der zunehmend der demokratische Diskurs in Deutschland verroht. Vor wenigen Wochen plante eine Gruppe von Rechtsextremist*innen die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Am Wochenende war ein Auftritt von Außenministerin Annalena Baerbock in Lübeck nicht möglich, nachdem ein dortiger Wahlkampfstand der Grünen mit Buttersäure attackiert worden war.
Niemand ist ein schlechterer Mensch, weil er CDU wählt
Ich finde, Streit ist per se nichts Schlechtes. Es ist gut für eine Demokratie, Alternativen zu diskutieren und einen Meinungsstreit mit Argumenten auszudiskutieren. Nicht ohne Grund ist dieses Grundrecht in Artikel 5 unserer Verfassung festgeschrieben: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten.“
Auch ist niemand ein schlechterer Mensch, weil er oder sie nicht die SPD, sondern die Grünen, FDP, CDU oder die Linke wählt. Ganz im Gegenteil: Es ist ja gerade diese Vielfalt des Parteiensystems, die die Stärke der Demokratie in Deutschland ausmacht. Doch wer mit seinen Handlungen darauf abzielt, anderen Menschen zu schaden, die Person körperlich angreift oder zumindest Verletzungen in Kauf nimmt, verlässt den grundsätzlichen Konsens, der allen demokratischen Parteien gemein ist.
Gestärkt in den demokratischen Diskurs
Klar ist ein demokratischer Austausch auf Augenhöhe nicht möglich, wenn eine Person auf einer Bühne steht und eine Rede hält und die andere im Publikum unter tausenden zuhört. Doch es gibt einen Grund, warum in diesem Fall Franziska Giffey dort am Sonntag in ihrer Funktion als Regierende Bürgermeisterin von Berlin auf der Bühne stand. Sie ist – durch die Wahl zum Abgeordnetenhaus am 26. September 2021 – demokratisch legitimiert. Das zu erreichen, ist ein steiniger Weg, der eine Vielzahl demokratischer Wettstreits erfordert. Diese sollte man gestärkt angehen. Daher meine Empfehlung: Esst Eier statt sie zu werfen!
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo