Meinung

Mit dem Brexit in ein goldenes Zeitalter

Mit einem Countdown werden in Großbritannien am 31. Januar die Sekunden bis zum Brexit gezählt. Danach werden auf der Insel goldene Zeiten anbrechen. Mindestens. Denn die Brexit-Vorkämpfer Boris Johnson und Nigel Farage haben großartige Pläne.
von Benedikt Dittrich · 30. Januar 2020
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„Get Brexit done“, damit hat Boris Johnson erfolgreich Wahlkampf gemacht. Mit der Unterschrift unter das Brexit-Abkommen startet am 31. Januar ein Prozess, dessen Ende zwar noch nicht absehbar, das Ziel aber klar ist: Großbritannien lässt die Europäischen Union hinter sich, endgültig. Das wollten die beiden Chef-Aussteiger, Boris Johnson und Nigel Farage, eigentlich groß feiern – mit großem Glockengeläut von Big Ben und einem fulminantem Feuerwerk.

Nun wird beides wohl ausfallen, weil ein paar Spielverderber die beiden ausbremsen. Kein Problem, denn die Politik-Profis haben schon viel weiter gedacht: Die beiden haben bereits einen Drei-Punkte-Plan, der mit Sicherheit dafür sorgen wird, dass in dem Königreich endlich wieder goldene Zeiten anbrechen werden. Manch eine*r träumt ob der bevorstehenden Post-Brexit-Epoche schon von einer Renaissance des British Empire.

Erster Spatenstich für „Big Brexit Wall“

Während sich auf der Insel die EU-Flaggen in Rauch auflösen werden und der Union Jack bald wieder vor jedem Hauseingang wehen wird, werden an der Küste schon die ersten Baugruben ausgehoben. Boris Johnson wird ab März mit dem Bau einer „Big Brexit Wall“ beginnen, die Pläne hat er höchstpersönlich ausgearbeitet. Die Anschubfinanzierung für den antieuropäischen Schutzwall hat er sich mit der ersten Charge der Brexit-Münzen aus dem vergangenen Jahr gesichert. Den Sammlerwert der fehlerhaften, weil falsch datierten, 50-Pence „Brexit-Coins“ haben Gutachter*innen bereits auf mehrere Millionen geschätzt, der Start für das Megaprojekt ist also bereits in trockenen Tüchern.

Für die übrigen Kosten soll dann Europa aufkommen, hat Farage bereits im Europa-Parlament angekündigt. Johnson indes hat die Rede für den Baubeginn schon bei seinem blonden Kumpel auf der anderen Seite des Teichs abgekupfert. Einem Entwurf zufolge wird Johnson unter anderem immer wieder betonen: „They will pay for it“, sowie „build that wall!". Den ersten Spatenstich will Johnson im März voraussichtlich an der südwestlichen Spitze in Cornwall setzen.

Gegenwind für den Klimawandel

Unterdessen haben britische Klimaforscher*innen bereits Pläne erarbeitet, wie von den Spitzen der Mauer aus der Klimawandel bekämpft werden kann. Große Ventilatoren sollen die CO2-geschwängerte Luft einfach von der britischen Insel wegblasen und so nachhaltig Luftqualität und Klima über Schottland, Wales und England und natürlich auch über Nordirland verbessern. Obendrein ließe sich mit den Ventilatoren auch das Wetter beeinflussen. Die von Nieselregen und tiefhängenden Wolken geplagte Bevölkerung zeigte sich begeistert von den ersten Ankündigungen, das von den Medien als „British Blow" bezeichnete Projekt könnte somit buchstäblich gute Laune in der Bevölkerung verbreiten.

Ersten experimentellen Studien zufolge kann von den Mauern der „Big Brexit Wall“ aus auch jede weitere globale Krise der kommenden Jahrzehnte bekämpft werden. Ein Feldversuch steht allerdings noch aus.

Dass die europäischen Wirtschaftsflüchtlinge, die spätestens ab 2021 in Booten Richtung Großbritannien übersetzen werden, ebenfalls mit der Mauer gestoppt werden können, ist ein weiterer, positiver Nebeneffekt. Denn ohne die Millionen aus London, darin sind sich die Finanzexpert*innen der Royal Bank of England sicher, wird Europa binnen weniger Monate pleite sein und in eine tiefe Rezession rutschen. Dass dadurch das florierende Großbritannien mit Schönwetter-Garantie zum Sehnsuchtsort avanciert, scheint da nur logisch.

Pläne für einen „Brexit 2.0“

Während Europa im Chaos versinkt, wird Großbritannien umso heller erstrahlen: Mit den britischen Millionen, die jetzt im eigenen Land bleiben anstatt in europäischen Töpfen zu versickern, kann die Regierung alle Probleme mit einem Streich lösen. Schon im Sommer soll das als „Big British Boost“ getaufte Konjunkturprogramm seine Wirkung zeigen. Ein Wirtschaftswunder, das sich von selbst finanziert, wie Wirtschaftsexperte Nigel Farage den Medien überzeugend vorrechnen kann. Frei von den Billig-Importen aus Deutschland, Frankreich und Spanien dürfte das Wirtschaftswachstum auf stabile fünf Prozent anwachsen und die Arbeitslosenquote auf unter 0 Prozent fallen. International wird die britische Wirtschaftspolitik als „Brexonomy“ gefeiert, Versuche anderer Staaten, Teile des Programms zu adaptieren, schlagen allerdings fehl.

Beflügelt von der Hochkonjunktur wird in den britischen Behörden derweil schon der nächste logische Schritt vorbereitet: Mit dem „Brexit 2.0“ will Großbritannien auch physisch vom europäischen Kontinent verschwinden. Wie das genau passieren soll, darüber schweigen sich Boris Johnson und Nigel Farage noch aus. Sicher ist nur: Sie haben einen Plan.

Autor*in
Benedikt Dittrich

war von 2019 bis Oktober 2022 Redakteur des „vorwärts“.

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