Ministerpräsidentenwahl in Thüringen: Perfides Spiel der CDU
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Mit 18 hatte Mike Mohring offenbar noch Ideale. Damals, im Herbst 1989, trat er dem Neuen Forum bei. Er kämpfte als Jugendlicher für die friedliche Revolution, trat für Freiheit und Demokratie ein. Erst 1993 kam Mohring zur CDU. Seit zwölf Jahren führt er deren Thüringer Landtagsfraktion, inzwischen aber ohne erkennbare Haltung und Ideale.
Mike Mohring ohne Ideale
Denn hätte Mohring eine Haltung, er hätte sich stärker gegen die Einmischung seitens der CDU-Bundesspitze gewehrt. Diese wies ihn fast mantrahaft immer wieder auf einen Unvereinbarkeitsbeschluss hin, um eine Zusammenarbeit mit den Linken und Ministerpräsident Bodo Ramelow zu verhindern. Hätte Mohring eine Haltung, hätte er sich aber vor allem gegen die Vereinnahmungsversuche durch AfD-Rechtsaußen Björn Höcke gewehrt.
Noch 2015 sagte Mohring nach der Aufnahme des ausgetretenen AfD-Gründungsmitgliedes Oskar Helmerich in die SPD-Fraktion, es „hätte einen Aufschrei gegeben“, wenn die CDU das getan hätte. AfD-Führer Höcke bezeichnete er wenige Tage vor der Landtagswahl noch als „Nazi“. Doch öffentliche Äußerungen sind das eine, die Zusammenarbeit hinter den Kulissen das andere. Weder der auf Bundesebene gefasste Unvereinbarkeitsbeschluss noch seine früheren demokratischen Ideale hielten Mohring jetzt offenbar davon ab, gemeinsam mit der rechtsextremen AfD einen FDP-Mann zum Ministerpräsidenten zu wählen.
Seit Monaten laviert die CDU
Die politische Lage war nach der Thüringer Landtagswahl Ende Oktober unübersichtlich. Es war offensichtlich, dass es einiges an Phantasie brauchen würde, um aus dem diffusen Wahlergebnis stabile politische Mehrheiten zu generieren. Doch während sich die CDU schnell einig war, auf keinen Fall für Wahlsieger Bodo Ramelow von den Linken zu stimmen, schaffte sie es seit Monaten nicht, eine Ministerpräsidentenwahl in Zusammenarbeit mit der AfD auszuschließen.
Es war ein perfides Spiel, das die Union und allen voran Mike Mohring trieben. Bis zum heutigen Tag gab es keine klare Äußerung, ob die CDU im dritten Wahlgang mit einem eigenen Kandidaten antreten würde. Dadurch, dass sie das scheinbar Unmögliche – einen Ministerpräsidenten von Höckes Gnaden – nicht definitiv ausschloss, wurde es letztlich möglich.
AfD-Kandidat sitzt lachend auf der Tribüne
Nach der Wahl von Thomas Kemmerich saß AfD-Kandidat Christoph Kindervater lachend auf der Besucher*innentribüne des Erfurter Landtages. Obwohl er im dritten Wahlgang null Stimmen bekommen hatte. Spätestens da war klar, dass Kemmerichs Wahl kein Zufall sein konnte, sondern es hinter den Kulissen Absprachen von FDP, CDU und AfD gegeben haben musste.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak schrieb noch am 6. November auf Twitter: „Die Zusammenarbeit mit der AfD wäre Verrat an christdemokratischen Werten. Die Anti-Deutschland-Partei AfD ist völkisch und nationalistisch.“ Der Tweet war bis heute in Ziemiaks Twitter-Profil oben angeheftet. Wenn er das dort Geschriebene erst meint und zumindest Ziemiak eine Haltung besitzt, muss Kemmerichs Wahl für Mohring und die Thüringer CDU Konsequenzen haben. Wenn nicht, läuft die CDU-Bundesspitze Gefahr, dass alle ihre Äußerungen der vergangenen Monate entweder als leere Worthülsen oder Teil des perfiden Spiels verstanden werden müssen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo