Merz im Bundestag: Ein erbärmlicher Hütchenspielertrick
Janine Schmitz/photothek.de
Ein Sympathieträger war Friedrich Merz noch nie. Doch zumindest galt der Hoffnungsträger der Konservativen bislang als besonders gewievter Politiker. Ein Mann mit Ausdauer, kernigen Sprüchen und – zumindest behauptet er selbst das – ausgeprägten Wirtschaftskenntnissen. Von den Rechten der Abgeordneten scheint Merz aber wenig Ahnung zu haben (oder nichts zu halten). Denn nur so ist seine vollkommen absurde und in der Praxis nicht umsetzbare Ankündigung zu verstehen, die er am Mittwochvormittag im Bundestag gemacht hat.
Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU plant demnach, an der Bundestagsabstimmung zum Sondervermögen für die Bundeswehr nur so viele Unionsabgeordnete teilnehmen zu lassen, wie für die Zwei-Drittel-Mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes benötigt wird. Der Gedanke dahinter ist klar: Merz will die Ampel-Fraktionen unter Druck setzen. Ohne alle Stimmen aller Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP käme der Beschluss demnach nicht zustande. Doch das Manöver des Sauerländers ist so durchschaubar wie wirklichkeitsfern. Es widerspricht zudem dem grundgesetzlich garantierten freien Mandat der Abgeordneten. Diese dürften von niemandem daran gehindert werden, an einer Abstimmung des Bundestages teilzunehmen.
Muss Julia Klöckner kochen gehen?
Und wie soll das in der Praxis eigentlich funktionieren? Will Merz vorher in der Fraktion abzählen und alle, die „zu viel“ sind, wieder nach Hause schicken? Muss Jens Spahn dann in seiner Villa im Berliner Westen warten bis die Abstimmung vorbei ist? Muss Julia Klöckner zum Zeitvertreib wieder mit Nestlé kochen gehen? Und was sagt eigentlich Markus Söder dazu? Denn schließlich wären auch seine CSU-Abgeordneten betroffen und die Bajuwar*innen lassen sich doch bekanntlich eigentlich von niemandem etwas sagen.
Was ist eigentlich aus der staatspolitischen Verantwortung geworden, von der die Union früher bei jeder Gelegenheit so gerne gesprochen hat? Da wurden gerne mal Sozialdemokrat*innen als „vaterlandslose Gesellen“ hingestellt. Erst das Land, dann die Partei – das galt lange, für Friedrich Merz offensichtlich nicht mehr. Kein Wunder! Denn der 66-Jährige braucht dringend Erfolge, wenn er nicht wie seine Vorgänger*innen Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet den Posten als CDU-Vorsitzender schon nach kurzer Zeit wieder freimachen will. Auf Rückenwind aus der Landtagswahl im Saarland am Sonntag kann er auch nicht hoffen.
Merz schadet sich nur selbst
Schließlich schadet Merz sich mit seiner Ankündigung nur selbst. Denn das Signal in diesen schwierigen Zeiten mit einem Krieg mitten in Europa wäre doch viel größer und eindrucksvoller, wenn die Union als gesamte Fraktion Haltung zeigen würde und sich nicht auf taktische Spielchen einließe. Das wäre staatspolitische Verantwortung und konstruktive Oppositionspolitik. Merz' am Mittwoch angekündigtes Manöver ist jedoch nur ein erbärmlicher Hütchenspielertrick, bei dem schon vorher klar ist, wo die Erbse liegt.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo