Landtagswahlergebnisse: Schlechte Zeit für Populisten
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Es war fast schon amüsant, was Michael Frisch, Landesvorsitzender der AfD in Rheinland-Pfalz, am Sonntagabend in der „Tagesschau“ von sich gab. 4,3 Prozentpunkte verlor seine Partei bei der Landtagswahl und damit auch ein Drittel ihrer Wähler*innen. Er lamentierte, dass seine Partei in Talkshows zur Corona-Pandemie auf Bundesebene nicht genügend vertreten gewesen sei. Na klar, genau das muss entscheidend für das schlechte Abschneiden der in Teilen rechtsextremistischen AfD sein. Nicht etwa das desaströse eigene Auftreten oder die erfolgreiche Regierungsbilanz von Malu Dreyer und ihrer Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz.
AfD für Zickzack-Kurs abgestraft
Das schlechte Abschneiden der AfD in Rheinland-Pfalz ist kein Zufall. Das zeigt der Blick ins Nachbarbundesland Baden-Württemberg, wo am Sonntag ebenfalls gewählt wurde. Dort büßte die AfD gar mehr als fünf Prozent der Stimmen ein, verlor als einzige Partei sechs Sitze und büßte auch ihre beiden vor fünf Jahren errungenen Direktmandate wieder ein. An mangelnder bundespolitischer Relevanz kann das definitiv nicht gelegen haben. Schließlich kommt neben dem Bundessprecher Jörg Meuthen auch die Fraktionsvorsitzende im Bundestag Alice Weidel aus Baden-Württemberg. Das half der Partei offensichtlich nicht. Im Stuttgarter Landtag ist sie künftig die kleinste Fraktion.
Die Ergebnisse aus dem Südwesten zeigen deutlich: Die Corona-Krise ist nicht die Zeit für Populisten – und in der AfD deutlich unterrepräsentierte Populistinnen. Die Partei liefert keine Antworten zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, sondern häufig vollkommen widersprüchliche Positionierungen. Anfangs konnte der Lockdown nicht schnell genug kommen, später schwenkte die AfD um und kritisierte die Maskenpflicht und die Änderungen beim Infektionsschutzgesetz. Für diesen absurden Zickzack-Kurs wurde sie am Sonntag doppelt abgestraft.
Baldauf und Eisenmann sind krachend gescheitert
Zugleich fuhr auch die CDU mit 24,1 Prozent in Baden-Württemberg und 27,7 Prozent in Rheinland-Pfalz in beiden Bundesländern ihre beiden schlechtesten Wahlergebnisse ein. Und das in ihren einstigen Hochburgen! Nach Gründung der Bundesrepublik wurden beide Bundesländer jahrzehntelang ununterbrochen von der CDU regiert, in den 70er- und 80er-Jahren gar mit absoluten Mehrheiten, ehe der Niedergang der CDU begann.
Die Missionen von Susanne Eisenmann und Chistian Baldauf, die Staatskanzleien in Stuttgart und Mainz nach 10 bzw. 30 Jahren wieder zurück zu erobern, sind krachend gescheitert. In Baden-Württemberg lag die CDU letztlich 8,5 Prozent hinter den Grünen, in Rheinland-Pfalz fast ebenso deutlich mit acht Prozent hinter der SPD.
Olaf Scholz in der Pole-Position
Die Niederlagen von Baldauf und Eisenmann sind jedoch nicht nur der eigenen Schwäche und der skandalösen Masken-Affäre von CDU und CSU geschuldet, sondern auch der Popularität der beiden Amtsinhaber*innen Malu Dreyer und Winfried Kretschmann. Deren Strahlkraft bescherte ihren Parteien Ergebnisse deutlich über dem Bundestrend.
Das könnte auch ein Fingerzeig für die Bundestagswahl sein. Der einst von der Union propagierte Slogan „Auf den Kanzler kommt es an“ könnte in diesem Jahr dafür sorgen, dass sich das Blatt in gleicher Weise gegen sie wendet. In diesem Fall würde er lauten: „Auf den Vizekanzler kommt es an“. Denn Olaf Scholz sorgt mit guter Regierungsarbeit als Vizekanzler und Finanzminister dafür, dass Deutschland wirtschaftlich gut durch die Corona-Pandemie kommt. Bereits im August hat die SPD ihn als Kanzlerkandidaten präsentiert. Anders als die Parteivorsitzenden der Grünen Annalena Baerbock und Robert Habeck und anders als die potenziellen Kandidaten der CDU/CSU Markus Söder und Armin Laschet verfügt Scholz über langjährige Regierungserfahrung auf Bundesebene.
Bündnisse ohne die Union sind möglich
Die Union gerät spätestens seit dem Wahldebakel unter Zugzwang. Medienberichten zufolge soll der CDU-Vorsitzende Armin Laschet während der Vorstandssitzung am Montag gesagt haben: „Es ist nicht Gott gegeben, dass wir den nächsten Kanzler stellen.“ Wie Recht er doch hat! Angesichts sinkender Umfragewerte könnte die entscheidende Frage für die Union zudem bald nicht mehr lauten, wer als Kanzlerkandidat antreten darf, sondern wer es machen muss. CSU-Chef Markus Söder könnte sich dann entspannt zurücklehnen, wie gewohnt von der Seitenlinie kommentieren und Laschet dabei zusehen, wie er den Karren an die Wand fährt.
Seit Sonntag ist schließlich auch klar: Mehrheiten jenseits der Union sind möglich. In Rheinland-Pfalz hat sich eine Ampel-Koalition in den vergangenen fünf Jahren durch gute Regierungsarbeit bewährt. In Baden-Württemberg könnte das nächste Dreier-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP folgen. Was in den beiden südwestdeutschen Bundesländern mit ihren gut 15 Millionen Einwohner*innen funktioniert, könnte ab Herbst auch bundesweit funktionieren.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo