Kraft der Kooperation: Was die Konzertierte Aktion leisten soll
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Die Krisen stellen unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Nicht nur die Pandemie hat uns gelehrt, dass wir Krisen am besten durch eine Politik bewältigen können, die versucht gerade in solchen Zeiten den Zusammenhalt zu stärken. Das gilt auch für die Inflation.
Wie Inflation entsteht
Inflation ist ähnlich wie eine Pandemie. Einmal ausgelöst, verbreiten sich Preisanhebungen virenhaft auf breiter Front rasch über eine ganze Volkswirtschaft. Die Folgen sind schmerzhaft. Vor allem Haushalte mit niedrigen Einkommen sehen ihre Kaufkraft dahinschmelzen und wissen vielfach nicht, wie sie am Monatsende ihre Rechnungen begleichen sollen (IMK 2022).
Lieferkettenprobleme und die Energieknappheit im Zuge des Krieges in der Ukraine lösten eine erste Welle von Preissteigerungen aus. Inflation entsteht hieraus aber erst, wenn sich diese zunächst vereinzelten Preissteigerungen als ansteckend für weite Bereiche der Wirtschaft erweisen. Genau dies ist geschehen, weil Energie immer und überall benötigt wird und der Druck auf immer höhere Preis sich damit verselbständigt hat.
Die Verselbständigung geschieht auf mittels zweier Spiralen. Die eine, und dies lässt sich an einigen Stellen in unserer Wirtschaft bereits beobachten, lässt Unternehmen das Umfeld steigender Preise nutzen, um ihre Gewinnmargen auszudehnen. Wenn fast alle Preise schon aus Kostengründen steigen, fällt es weniger auf, wenn der Anstieg etwas stärker als jener der Kosten ausfällt. Steigen die Preise dann weiter, lassen sich die Gewinne weiter ausdehnen. Das ist eine Profit-Preis-Spirale.
Was die Konzertierte Aktion leisten soll
Der Gegenpart ist eine Lohn-Spirale. In diesem Fall versuchen die Gewerkschaften über Lohnanhebungen den Verlust an Kaufkraft auszugleichen, den ihre Beschäftigten durch die höheren Preise erleiden. Damit steigen die Kosten für die Unternehmen und die Preisspirale dreht sich weiter. Ganz allgemein treten diese Spiralen in die Inflation auf, wenn alle erwarten, dass der Preisauftrieb anhält und man sehen muss, wie man ihn möglichst schadlos gemessen an den eigenen Interessen bewältigt.
Daher ist es von entscheidender Bedeutung solche Erwartungen erst überhaupt nicht entstehen zu lassen. Um dies zu erreichen, hat die Bundesregierung eine Konzertierte Aktion einberufen, bei der die Regierung, die Tarifparteien, Sachverständigenrat und die Bundesbank als Vertreterin der EZB an einem Tisch sitzen. Das Vorbild entstand in den Siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts beim Ausbruch der Ölpreiskrise, die ökonomisch große Ähnlichkeit mit der aktuellen Lage aufwies. Ziel des Treffens ist, dass alle Seiten Informationen, Vorgehen und ihre Erwartungen in diesem inflationären Umfeld austauschen. Im Ergebnis sollte sich ein Pfad wechselseitigen und kooperativen Handelns abzeichnen, auf dem die Inflationswelle gebrochen werden kann.
Warum wir eine europaweite Konzertierte Aktion brauchen
Davon würden alle profitieren, aber jede Seite muss hierzu auch einen Beitrag leisten. Die Tarifparteien müssen ihre Preis- und Lohnabschlüsse absehbar so gestalten wollen, dass die Spiralen nicht in Gang kommen. Die Bundesregierung kann vor einem solchen Hintergrund skizzieren, welche Maßnahmen sie z.B. in der Steuerpolitik zum Erhalt der Kaufkraft plant. Wenn aus diesem Informationsaustausch deutlich wird, dass alle Seiten sich auf einen inflationsdämpfenden Pfad bewegen, kann die Zentralbank, weil die Gefahr preistreibender Spiralen begrenzt ist, auf spürbare Zinserhöhungen verzichten. Dies kommt wiederum beiden Tarifparteien entgegen. Schließlich erleichtert dies den Unternehmen die Finanzierung ihrer Investitionen, und die Gewerkschaften brauchen unter diesen Voraussetzungen keinen Beschäftigung vernichtenden Konjunkturabschwung zu fürchten.
Diese zunächst rein deutsche Veranstaltung muss allerdings auch noch europäisch erweitert werden, um die andern Mitgliedstaaten des Euroraums sowie die EZB einzubinden. Der bereits bestehende Makrodialog bietet hierzu die Gelegenheit.
Der Kern all dieser Bemühungen ist, mit dem Austausch von Informationen die Möglichkeiten wechselseitig vorteilhafter Pfade zu einer preisstabilen Wirtschaft auszuloten. Diese sind aber nicht durch Konflikte, bei denen jede Seite nur ihre eigenen Interessen verfolgt, zu erreichen oder nur unter sehr hohen Kosten in Gestalt von Rezession und Arbeitslosigkeit. Berücksichtigt man hingegen die Ziele der anderen, ist eine Abkehr vom Inflationspfad ohne größere Opfer an Wachstum und Beschäftigung möglich. Kooperation lohnt sich.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.